« Welchen Anteil nimmt die Chemie im Vergleich zu anderen Branchen ein? »
Es gibt heute keinen ernstzunehmenden Menschen mehr, der daran zweifelt, dass der hohe CO2-Ausstoß in der Industrie und den anderen Bereichen der Gesellschaft das Klima dauerhaft beeinträchtigt. Folgen sind extreme Wetterereignisse, Dürreperioden, der Anstieg des Meeresspiegels, die Versauerung der Gewässer. Es ist offensichtlich notwendig, den Ausstoß von CO2 zu reduzieren. Dabei hilft das Wissen darüber, wo wie viel Kohlenstoffdioxid entsteht. Wie werden die Emissionsquellen von CO2 erfasst? Welchen Anteil hat die Chemieindustrie am Klimawandel? Hier erfahren Sie mehr darüber.
Veröffentlichung der Daten zum CO2-Ausstoß
Seit dem 1. Januar 2020 hat die Bundesrepublik ein ziemlich umstrittenes Klimaschutzgesetz. Vor allem die laschen Klimaschutzziele trieben viele junge Menschen auf die Barrikaden. Das Verfassungsgericht gab ihnen Recht. Nebenbei bemerkt, können die jungen Leute nicht laut genug protestieren. Schließlich müssen sie die Lobbyisten einiger einzig auf Gewinnmaximierung orientierter Konzerne übertönen. Die Proteste helfen übrigens auch den Unternehmen, die erhebliche Anteile ihrer Gewinne in die Verbesserung ihrer Klimabilanz investieren.
Zurück zum Klimaschutzgesetz. An den Klimaschutzzielen wird “emsig” gearbeitet. Den Überblick über den CO2-Ausstoß in der Industrie und den anderen Bereichen der Gesellschaft verschafft uns das Umweltbundesamt. Der §5 des Klimaschutzgesetzes beauftragt das Umweltbundesamt, die Daten zum Ausstoß von Kohlenstoffdioxid und anderen Treibhausgasen jährlich zu erfassen und zu veröffentlichen.
Zuordnung der Daten zu Emissionsquellen
Zielgerichtete Maßnahmen, die geeignet sind, CO2 zu reduzieren, ergeben sich aus den jeweiligen Emissionsquellen. Deshalb sind die Emissionen einzelnen Sektoren zugeordnet:
- Sektor 1: Energiewirtschaft
- Sektor 2: Industrie
- Sektor 3: Verkehr
- Sektor 4: Gebäude
- Sektor 5: Landwirtschaft
- Sektor 6: Abfallwirtschaft und Sonstiges
In der Presseinformation 07/2021 vom 15.03.2021 zum Nationalen Treibhausgasinventar hat das Umweltbundesamt folgende zusammenfassende Grafik zur Entwicklung der Emissionen in den wichtigsten Kategorien seit 1990 veröffentlicht.
An der Grafik ist eindeutig zu erkennen, dass der überwiegende Anteil der Treibhausgase aus Verbrennungsprozessen beim Transport und bei der Erzeugung von Elektro- und Wärmeenergie hervorgeht.
Die Sektoren umfassen Quellkategorien, die nach einem gemeinsamen Berichtsformat beschrieben werden. Dabei handelt es sich um das Common Reporting Format, abgekürzt CRF. Zum Sektor Industrie gehören die Quellkategorien:
- Verarbeitendes Gewerbe (CRF 1.A.2)
- Herstellung mineralischer Produkte (CRF 2.A)
- Chemische Industrie (CRF 2.B)
- Herstellung von Metallen (CRF 2.C)
- übrige Prozesse und Produktverwendungen (CRF 2.D-H)
Das Klimaschutzgesetz unterscheidet bei der Freisetzung von Treibhausgasen zwischen energiebedingten (CRF 1) und prozessbedingten (CRF 2) Emissionen. In der Quellkategorie CRF 1.A.2, verarbeitendes Gewerbe, ist deshalb der gesamte CO2-Ausstoß erfasst, der in den einzelnen Unternehmen, einschließlich der Chemieindustrie, durch die eigene Energieerzeugung entsteht. Prozessbedingte Emissionen entstehen hauptsächlich durch die chemischen Reaktionen, die bei der Herstellung von mineralischen Produkten (Glas, Zement, Kalk), chemischen Erzeugnissen und Metallen ablaufen.
Erfassung der Treibhausgasemissionen
Die Treibhausgasemissionen werden über europäische Regelungen zur Berichterstattung erfasst. Dazu existieren Leitlinien zu klimabezogenen Informationen (2019/C 209/01), die entsprechende Hinweise und Empfehlungen enthalten. Es wird beschrieben, wie allgemeine Angaben zum Unternehmen und Informationen über die vom Klimawandel erwarteten Risiken sowie geplante Gegenmaßnahmen und Klimaziele ermittelt und weitergeleitet werden sollen. Der Ausstoß von Treibhausgasen dient dabei als ein Kriterium für die Wirksamkeit der Aktionen zum Klimaschutz. Die Erfassung der Werte erfolgt über drei Leistungsindikatoren:
- direkter CO2-Ausstoß des Unternehmens, einschließlich der Emissionen anderer Treibhausgase, umgerechnet in CO2-Äquivalente (Scope 1)
- Treibhausgasemissionen, die bei der Erzeugung eingekaufter Energieträger (Elektroenergie, Dampf, Brennstoffe) freigesetzt wurden (Scope 2)
- Emissionen, die sich entlang der Lieferkette aus der Bereitstellung von Rohstoffen, der Nutzung verkaufter Produkte und der Entsorgung von Abfall ergeben (Scope 3)
Darüber hinaus enthalten die Leitlinien eine Reihe weiterer Leistungsindikatoren, mit denen Unternehmen Aktivitäten zum Klimaschutz planen, deren Wirksamkeit überprüfen und die Ergebnisse weiterleiten können.
Kohlenstoffdioxid-Ausstoß in der Industrie
Aus den Veröffentlichungen des Bundesumweltamtes [1] ist ersichtlich, dass der CO2-Ausstoß in der Industrie im Jahr 2020 23,6 % des Gesamtaufkommens betrug. Davon gehen 3,6 % auf das Konto der prozessbedingten Emissionen in der Chemiebranche (0,9% des Gesamtaufkommens). Das entspricht einem Kohlenstoffdioxid-Ausstoß von 6.421.000 Tonnen eigenen CO2-Äquivalenten (enthalten in Scope 1) Die chemische Industrie hat laut Statistischem Bundesamt in diesem Jahr 22 % der im industriellen Sektor eingesetzten Energie verbraucht [2]. Der dadurch entstandene Ausstoß von Kohlenstoffdioxid wird Teils der Energiewirtschaft (Scope 2), Teils den energiebedingten Emissionen im verarbeitenden Gewerbe zugeordnet (Scope 1). Zu den Emissionen aus dem Energieverbrauch kommen die Treibhausgase dazu, die beim Transport der Rohstoffe und der chemischen Produkte freigesetzt werden und im Sektor Verkehr berücksichtigt sind. Aus dem Energieverbrauch und dem Verkehr (in Scope 3 enthalten) ergeben sich rund 60.000.000 Tonnen zusätzliche CO2-Äquivalente, die sich auf die Chemiebranche zurückführen lassen.
Ohne Chemie geht gar nichts
Die Chemieindustrie ist nach dem Fahrzeugbau und dem Maschinenbau die drittgrößte Branche. Um die Treibhausgasemissionen der chemischen Industrie sinnvoll mit dem der anderen Industriezweige zu vergleichen, müsste man sich auf das jeweilige Produktionsvolumen beziehen. Chemie steckt übrigens in vielen Bereichen der Wirtschaft. Mineralische Produkte (z.B. Glas, Zement) und Metalle (z.B. Eisen, Aluminium, Kupfer) gewinnt man durch chemische Reaktionen. Das verarbeitende Gewerbe und die übrigen Prozesse und Produktverwendungen kommen nicht vollkommen ohne chemische Verfahren aus. Auch die anderen Sektoren für Emissionsquellen, vor allem die Energiewirtschaft (z.B. Raffinerien) und die Abfallwirtschaft, wenden Chemie an. Deshalb wirkt sich alles, was nachhaltige Chemie voranbringt, positiv auf das gesamte Treibhausgasaufkommen aus.
Ohne verstärkte Anstrengungen in der Grundlagenforschung lässt sich das Problem kaum lösen. Unternehmen könnten die Ergebnisse der Grundlagenforschung für die angewandte Forschung zum Klimaschutz nutzen. Bis sich daraus wirksame Einsparungen von Treibhausgasemissionen ergeben, müsste die Politik verbindliche Klimaziele festlegen und deren Einhaltung notfalls durch die Begrenzung des Produktionsumfanges durchsetzen.
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Informationsquellen
[1] https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/treibhausgas-emissionen
[2] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/12/PD21_551_435.html
[3] Umweltbundesamt, Pressemitteilung Nr. 15/2022 vom 15.03.2022