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Dass man frisch geschnittenes Gras, gesägtes Holz oder den Wald riechen kann, liegt an flüchtigen organischen Verbindungen. Das sind natürlich entstandene Gase und Dämpfe, die sich in der Luft verteilen. Dieses Verhalten zeigen auch viele künstlich erzeugte organische Verbindungen wie Lösungsmittel in Reinigern, Farben, Lacken und Klebstoffen. Hier erfahren Sie, wie sich große Mengen dieser Stoffe in der Atmosphäre auswirken und wie die Oberflächentechnik flüchtige organische Verbindungen einsparen will.
Was sind organische chemische Verbindungen?
Eine chemische Verbindung ist ein Stoff, dessen Moleküle aus Atomen unterschiedlicher chemischer Elemente zusammengesetzt sind. Die Chemie unterscheidet anorganische und organische Verbindungen. Lange Zeit nahm man an, dass sich der Aufbau von Lebewesen grundsätzlich vom Aufbau toter Materie unterscheidet. Als man die Bestandteile der Lebewesen genauer analysierte, fiel der hohe Kohlenstoffgehalt auf, der in diesen Stoffen immer vorkam. Der Kohlenstoff kann unzählige Verbindungen mit unterschiedlichen Strukturen bilden.
Daraus resultiert die Vielfalt der lebendigen Natur. Nach ihrem Vorbild baut die organische Chemie mit dem Kohlenstoff kleine bis riesengroße Moleküle zusammen. Darin ist er hauptsächlich mit Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel und Phosphor verbunden. Außerdem zählen Kohlenstoffverbindungen mit Silizium und Halogenen (Fluor, Chlor, Jod, Brom) zu dieser Stoffgruppe. Nur die einfachen Kohlenstoffoxide und die häufig in Mineralien vorkommenden Salze der Kohlensäure (Karbonate) gehören in den Bereich der anorganischen Chemie.
Wann gelten chemische Verbindungen als flüchtig?
Der Aggregatzustand chemischer Verbindungen kann fest, flüssig oder gasförmig sein. Gasförmige Stoffe verteilen sich gleichmäßig im Raum. Ihre Moleküle bewegen sich frei und ungeordnet hin und her. Die Geschwindigkeit der Bewegung entspricht der Temperatur. Stoßen die Moleküle an eine Fläche, entsteht Druck. In der Atmosphäre macht er sich als Luftdruck bemerkbar. In Flüssigkeiten wirken zwischen den Molekülen Anziehungskräfte, die die Beweglichkeit einschränken. Weil an der Oberfläche von Flüssigkeiten außen diese Kräfte fehlen, verlassen dort Moleküle die Flüssigkeit und werden gasförmig.
Wie viele Moleküle davon betroffen sind, wird durch den Dampfdruck der Flüssigkeit und den Umgebungsdruck bestimmt. Je näher beide aneinander liegen, umso mehr Flüssigkeit wird in einer bestimmten Zeitspanne gasförmig. Die Flüssigkeit verdunstet. Mit steigender Temperatur wächst der Dampfdruck an. Übersteigt der Dampfdruck den Umgebungsdruck, siedet die Flüssigkeit und wird komplett gasförmig. Aus diesen Zusammenhängen leitet sich der Begriff “Flüchtigkeit” ab. Stoffe, die verhältnismäßig schnell verdunsten, sind leicht flüchtig.
Welche Rolle spielen flüchtige organische Verbindungen in der Oberflächentechnik
Viele flüchtige organische Verbindungen sind in der Lage, andere Stoffe aufzulösen. Dadurch eignen sie sich als Reinigungsmittel. Mit derartigen Kaltreinigern lassen sich Öle und Fette leicht von den Oberflächen entfernen. Verbleibende Flüssigkeitsfilme verdunsten meist rückstandsfrei. Weil die gelösten Stoffe ihre Eigenschaften im Gemisch mit vielen organischen Lösungsmitteln beibehalten, werden sie nach dem Verdunsten des Lösungsmittels wieder unverändert freigesetzt. Diese Eigenschaft wird in Klebstoffen, Farben und Lacken genutzt, um Rohstoffe zu mischen, die Oberflächenspannung herabzusetzen, die Viskosität einzustellen oder die Haltbarkeit zu verbessern.
Seit sich herausgestellt hat, dass die flüchtigen organischen Verbindungen umweltschädlich sind, bemüht man sich, den Verbrauch einzuschränken und die Freisetzung der Dämpfe in die Atmosphäre zu vermeiden. In diesem Zusammenhang entstand der Begriff VOC. Er ist die Abkürzung des englischen Ausdrucks für diese Stoffe: volatile organic compound.
Was bewirken flüchtige organische Verbindungen in der Atmosphäre?
Gelangen flüchtige organische Stoffe in die Atmosphäre, verstärken sie den Treibhauseffekt. Nach und nach reagieren sie mit dem Sauerstoff in der Luft. In mehreren Reaktionsschritten entstehen zum Schluss aus dem enthaltenen Wasserstoff Wasserdampf und aus dem Kohlenstoff Kohlenstoffdioxid. Bis es dazu kommt, finden noch andere chemische Reaktionen statt. Zum Beispiel reagieren VOC, Kohlenstoffmonoxid und Stickstoffoxide miteinander und bilden als Nebenprodukt das giftige Treibhausgas Ozon. Außerdem können aus Schwefel- und Stickstoffoxiden Aerosole entstehen. An den darin enthaltenen Partikeln kondensiert Wasserdampf. Die Folge ist eine verstärkte Wolkenbildung.
Wann sind organische Stoffe als flüchtige organische Verbindungen eingestuft?
Um Regeln für den Umgang mit flüchtigen organischen Verbindungen zu finden, muss man zunächst definieren, welche Stoffe dazugehören. Das handhaben die Länder und Organisationen unterschiedlich. Viele beziehen sich auf den Siedepunkt, der eng mit dem Dampfdruck zusammenhängt. Beispielsweise betrachtet Weltgesundheitsorganisation WHO alle organischen Stoffe als VOC, die unter normalem Luftdruck im Bereich von 50 bis 260 °C sieden. In Europa liegt der obere Grenzwert bei 250 °C, in der Schweiz bei 240 °C. Bei beiden ist kein unterer Grenzwert festgelegt. Erfolgt die Bewertung auf Grundlage des Dampfdrucks gilt meistens der Wert von 10 Pa (0,1 mbar) bei einer Temperatur von 20 °C als unterer Grenzwert. Australien zieht 270 Pa (2,7 mbar) bei 25 °C als Kriterium für die Bewertung heran.
Was bedeutet das für die Oberflächentechnik?
Für die Oberflächentechnik kommt die 31. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (31.BImSchV) zum Tragen. Sie befasst sich mit der Begrenzung von Emissionen von flüchtigen organischen Verbindungen, die in bestimmten Anlagen als Lösungsmittel eingesetzt werden. Im Anhang I der Verordnung sind diese Anlagen aufgelistet. Hier gilt der Grenzwert für den Dampfdruck von 10 Pa bei der jeweiligen Verarbeitungstemperatur als Kriterium dafür, ob eine organische Verbindung als VOC eingestuft wird. In der Verordnung sind Schwellenwerte für den Lösemittelverbrauch bei bestimmten Tätigkeiten festgelegt. Werden diese erreicht oder überschritten, muss der Betreiber der Anlage mit entsprechenden Messungen nachweisen, dass er vorgegebene Emissionsgrenzwerte einhält und jährlich eine Lösemittelbilanz aufstellen oder einen Reduzierplan erarbeiten.
Dieser beinhaltet die Umstellung der Produktion auf Einsatzstoffe, die VOC-frei oder VOC-reduziert sind. Das Sortiment von Kluthe enthält eine große Anzahl von Reinigungsmitteln auf Wasserbasis und Produkten zur Oberflächenvorbehandlung, die dafür infrage kommen. Um in der Lösemittelbilanz oder im Reduzierplan verlässliche Zahlenangaben nennen zu können, wird der VOC-Wert für den anwendungsbereiten Beschichtungsstoff bzw. die Reinigungsflüssigkeit herangezogen.
Dieser wird in g/l angegeben und ergibt sich wie folgt:
(Masse der flüchtigen Anteile minus Masse des Wassers)
geteilt durch
(Volumen der Beschichtungsstoffe minus Volumen des Wassers)