« Was versteht man unter diesem Umformungsverfahren? »
Das Tiefziehen ist ein Verfahren der Umformtechnik, das breite Anwendung im Fahrzeugbau, im Maschinen- und Anlagenbau, in der Verpackungstechnik sowie im Gerätebau findet. Man unterscheidet zwischen dem Tiefziehen von Kunststoff und dem Tiefziehen von Metall. In beiden Fällen entstehen aus ebenen Halbzeugen Hohlkörper mit teils sehr einfachen, teils äußerst komplizierten Profilen.
Tiefziehen von Metall
Verhalten von Metallen bei mechanischer Belastung
Metalle sind in der Lage, sich unter Einwirkung großer Kräfte bleibend zu verformen. Dieses Verhalten lässt sich mit den Ergebnissen von Zugversuchen erklären. Belastet man eine Probe aus Metall mit einer geringen Zugkraft, dehnt sie sich aus. Die Dehnung verschwindet, wenn die Zugkraft wegfällt. In diesem Bereich ist das Metall elastisch.
Übersteigt die Zugkraft die Kraft, die die Atome im Metall zusammenhält, verschieben sich die Atome gegeneinander. Dieser Vorgang wird als Fließen bezeichnet. Fällt die Zugkraft danach weg, bleibt eine plastische Verformung zurück. Der Beginn des Fließens kündigt sich bei einigen Metallen durch das Verfestigen des Werkstoffs, die Kaltverfestigung, an. Der Wert, bei dem sich die Kaltverfestigung einstellt, wird als Streckgrenze bezeichnet.
Bei anderen Metallen verläuft der Übergang vom elastischen Verhalten zum plastischen stetig. Für diese Werkstoffe wird als “Ersatzstreckgrenze” die Proportionalitätsgrenze bestimmt, bei der sich nach dem Wegfall der Zugspannung eine bleibende Dehnung von 0,2 % einstellt. Wird die Belastung des Werkstoffs weiter erhöht, kommt es an einem bestimmten Punkt zum Werkstoffversagen. Der Betrag der Zugkraft, der zum Bruch des Werkstoffs führt, wird Zugfestigkeit genannt.
Für den Tiefziehprozess werden Kräfte benötigt, die oberhalb der Streckgrenze und unterhalb der Zugfestigkeit liegen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass sich die Kräfte im Werkstoff ungleichmäßig verteilen und dass die oben beschriebenen Grenzwerte temperaturabhängig sind. Die optimalen Bedingungen werden deshalb in der Regel durch Versuche ermittelt.
Vorgehensweise beim Tiefziehen von Metall
Bei der klassischen Variante des Tiefziehens mit Werkzeugen wird eine Presse eingesetzt, die einen Prägestempel gegen ein Blech drückt. Ausgangsmaterial für das Tiefziehen sind rechteckige Blechzuschnitte oder Ronden. Das Blech wird zwischen einen Ziehring oder eine Matrize und einen Stempel geschoben.
Zur Vermeidung von Falten ist der Prägestempel von einem Niederhalter umgeben, der den Rand des Rohteils festhält. Wenn sich der Stempel absenkt, drückt er das Blech in den Ziehring bzw. die Matrize. Von den Rändern fließt Material nach. Der Werkstoff nimmt die Form des Stempels an. Damit die Blechdicke während des Vorgangs möglichst konstant bleibt, ist zwischen dem Stempel und dem Ziehring ein Zwischenraum mit genau vorausberechneten Abmessungen vorgesehen.
Metalle sind nicht unbegrenzt verformbar. Die Werkstoffeigenschaften, die Geometrie des Fertigteils, die vorherrschende Temperatur und die Geschwindigkeit, mit der die Umformung erfolgt, beeinflussen, das Formänderungsvermögen. Der Durchmesser der Ronde und der Innendurchmesser des fertigen Werkstücks müssen aufeinander abgestimmt werden. In der Praxis wird deshalb das Grenzziehverhältnis ermittelt und als Kriterium für die maximale Verformbarkeit genutzt. Lässt sich das Fertigteil nicht in einem Zug herstellen, werden mehrere aufeinanderfolgende Umformungen durchgeführt.
Bei Werkstoffen, die sich durch den Umformvorgang kaltverfestigen, kann zwischen den Umformschritten ein Weichglühen mit einer nachfolgenden Oberflächenbehandlung erforderlich werden. Außer mit Werkzeugen kann die zur Umformung erforderliche Kraft auch mit Wirkmedien (hydromechanischen Tiefziehen, Explosivumformen) oder mit Wirkenergie (Magnetumformung) in den Prozess eingebracht werden.
Umformschmierstoffe zur Verringerung der Reibung
Während des Tiefziehens tritt zwischen Werkstück und Werkzeug Reibung auf, die zum Verschleiß der Werkzeuge und zum Kaltverschweißen führen kann. Um diese Prozesse zu vermeiden, werden Umformschmierstoffe eingesetzt. Diese Schmierstoffe verhindern den direkten Kontakt von Werkzeug und Material.
Für das Tiefziehen von Metallen werden Tiefziehöle oder -pasten verwendet. Beim Einsatz von Öl ist die Oberflächenrauheit Werkstoffs von Bedeutung. In den mikroskopisch kleinen Unebenheiten sammelt sich die Flüssigkeit. Auf diese Weise kann es von der Oberfläche mitgeführt werden. Von sehr glatten Oberflächen würden Umformschmierstoffe verdrängt werden. Statt durch Schmierstoffe können Werkstoffe mit geringer Oberflächenrauheit durch Folien aus Kunststoff geschützt werden.
Im Angebot von Kluthe sind unter den Markenbezeichnungen HAKUFORM und HAKUFLUID unterschiedliche Umformschmierstoffe enthalten, die speziell auf die Anforderungen von Tiefziehprozessen abgestimmt sind und gleichzeitig zum Korrosionsschutz beitragen.
Tiefziehen von Kunststoff
Das Tiefziehen von Kunststoffen wird auch als Thermoformen oder Warmformen bezeichnet. Es eignet sich für thermoplastische Werkstoffe, die sich in einem bestimmten Temperaturbereich weich werden und sich in eine beliebige Form bringen lassen. Beim Abkühlen behalten sie die neue Form bei. Als Ausgangsmaterial werden Platten oder dünne Folien eingesetzt. Während des Tiefziehens von Kunststoffen verringert sich die Wandstärke des Materials. Das muss bei der Bestimmung der benötigten Materialmenge berücksichtigt werden.
Folien aus Kunststoff werden vorwiegend für die Herstellung von Verpackungsmitteln wie Becher, Blister für Tabletten oder Behältnisse für kleinteilige Waren verwendet. Der Fertigungsprozess erfolgt in den meisten Fällen vollautomatisch. Die Folie wird von einer Rolle abgewickelt und durch eine Aufheizanlage geführt. Anschließend gelangt sie zum Werkzeug. Mit Hilfe von Druckluft oder durch ein Vakuum wird die erwärmte Folie an das Formwerkzeug gepresst bzw. gesaugt und nimmt dessen Kontur an. Das Werkzeug ist in der Regel mit einer Wasserkühlung ausgestattet, die ein schnelles Abkühlen der in die vorgesehene Form gebrachten Folie bewirkt.
Als Platten werden Halbzeuge aus Kunststoff mit einer Dicke von 2 mm bezeichnet. Die Platten werden einzeln in die Tiefziehvorrichtung gelegt, dort erwärmt und anschließend an das Werkzeug gedrückt oder gesaugt. Dabei nehmen sie die Form des Werkzeugs an. Nach dem Erkalten, das durch ein Gebläse oder die Temperierung des Werkzeugs erreicht wird, werden die Teile aus der Form entnommen. Auf diese Weise entstehen zum Beispiel Armaturenbretter, Gehäuse für Geräte oder Innenwände für Kühlschränke.