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Tenside werden in der Oberflächentechnik eingesetzt, wenn Prozesschemikalien Werkstücke vollständig benetzen sollen, Reinigungsaufgaben zu lösen sind oder stabile Bearbeitungsemulsionen benötigt werden. Der chemische Aufbau von Tensidmolekülen bewirkt, dass sich die Oberflächenspannung von Wasser verringert und dass sich Öltropfen oder Feststoffteilchen gleichmäßig im Wasser verteilen lassen. Die Wirkung ist vor allem von der Tensidkonzentration abhängig.
Aufbau und Wirkung von Tensidverbindungen
Polare und unpolare Stoffe
Alle Stoffe bestehen aus Atomen mit einem elektrisch positiv geladenen Kern und einer negativ geladenen Hülle. Die negative Ladung wird von Elektronen hervorgerufen. Verbinden sich Atome zu Molekülen, verteilen sich die außen liegenden Elektronen entweder gleichmäßig oder ungleichmäßig im Molekül. Bei einer ungleichmäßigen Verteilung hat das Molekül eine positive und eine negative Seite, anders gesagt einen Pluspol und einen Minuspol. Derartige Stoffe heißen in der Chemie polar. Dazu gehören zum Beispiel Wasser, Salze, Laugen und Säuren. Moleküle mit gleichmäßig verteilten Elektronen bilden unpolare Stoffe, wie Öle und Fette.
Löslichkeit
In polaren Stoffen ordnen sich die Moleküle durch die elektrischen Anziehungskräfte regelmäßig an. Jedem Pluspol steht der Minuspol eines anderen Moleküls gegenüber. Am Wechselspiel von Plus und Minus können unterschiedliche polare Stoffe teilnehmen. Diese Stoffe sind ineinander löslich. Unpolare Moleküle finden zwischen den polaren keinen Platz. Daraus bestehende Stoffe lassen sich zwar untereinander gleichmäßig vermischen, jedoch nicht mit polaren.
Tenside sind komplexe chemische Verbindungen, deren Moleküle aus einer polaren, wasserliebenden (hydrophilen) und einer unpolaren, wasserabstoßenden (hydrophoben) Atomgruppe zusammengesetzt sind.
Diese Eigenschaft wird amphiphil genannt, was so viel wie “beides liebend” bedeutet. Ist die polare Atomgruppe negativ geladen, handelt es sich um anionische Tenside, ist sie positiv geladen, liegen kationische Tenside vor. Darüber hinaus existieren nichtionische und amphotere Tensidverbindungen, bei denen die Polarität durch reaktive Gruppen organischer Verbindungen bzw. Zwitterionen entsteht. Indem jedes Tensidmolekül auf der einen Seite ein Wassermolekül und auf der anderen ein unpolares Molekül festhält, wird es zum Lösungsvermittler.
Einfluss auf die Oberflächenspannung
Im Inneren der Flüssigkeit ist jedes Wassermolekül gleichmäßig von anderen umringt. An der Grenzfläche zwischen Wasser und Luft kommen die Wassermoleküle nur auf der der Luft abgewandten Seite mit ihren Gefährten in Berührung. Durch die elektrischen Anziehungskräfte bildet sich an der Oberfläche eine “Haut”, die auch Wassertropfen zusammenhält. Die Widerstandsfähigkeit dieser Haut gegen mechanische Kräfte wird als Oberflächenspannung oder Grenzflächenspannung bezeichnet.
Wird ein geringe Menge Tensid in Wasser gegeben, sammeln sich die Moleküle an der Oberfläche. Die polaren Seiten ragen in das Wasser, die unpolaren zeigen in die Luft. Die Wasserhaut verschwindet. Damit verringert sich die Grenzflächenspannung und vorhandene Tropfen fließen auseinander. Diese Wirkung wird unter anderem beim Einsatz von Tensiden als Netzmittel genutzt. Sie sorgen dafür, dass sich wässrige Lösungen gleichmäßig auf Oberflächen verteilen und nicht abperlen. Aus diesem Zusammenhang resultiert die Bezeichnung als oberflächenaktive Substanzen.
Bildung von Mizellen
Ist die gesamte Oberfläche von Tensidmolekülen besetzt, bewirkt die Zugabe weiterer Tenside die Bildung von Mizellen im Wasser. Dabei ordnen sich die Moleküle zu Kugelgebilden an. Außen befinden sich die polaren Atomgruppen, im Kugelinneren die unpolaren. Steigt die Tensidkonzentration weiter, finden sich die Kugeln zu stäbchenförmigen Gebilden und schließlich zu Lamellen zusammen.
Befinden sich Öltropfen oder Schmutzteilchen im Wasser, lagern sich dort Tensidmoleküle an und umschließen sie. Dadurch entstehen stabile Emulsionen (Öl + Wasser) oder Suspensionen (Feststoffteilchen + Wasser). In der Chemie lautet der Oberbegriff für solche Stoffgemische Dispersion. Reiniger basieren auf der dispergierenden Wirkung von Tensiden.
Tenside in der Beschichtungstechnik
Ein umfangreiches Teilgebiet in der Oberflächenbehandlung bildet die Beschichtung mit Farben und Lacken. Beim Tensideeinsatz in Beschichtungsstoffen nutzt man die Fähigkeit zur Verringerung der Grenzflächenspannung und das Vermögen, Feststoffteilchen gleichmäßig in Flüssigkeiten zu verteilen. Durch die Verringerung der Grenzflächenspannung fließt die Farbe an alle Stellen der Teileoberflächen und kann auch in enge Spalten eindringen. Die Farbpigmente können sich nicht zusammenklumpen und absetzen, weil sie von einer Tensidhülle umschlossen sind.
Verwendung von Tensiden als Reiniger
Die Eigenschaft als Lösungsvermittler ist die Grundlage für die Reinigungswirkung der Substanzen. In der Chemie emulgierend und demulgierend wirkende Tenside bekannt. Industriereiniger mit emulgierenden Tensiden ermöglichen es, fettige und staubige Verschmutzungen von Oberflächen abzuwaschen und in der Reinigungslösung zu verteilen. Da die Tensidmoleküle während Reinigung an die jeweiligen Verschmutzungen gebunden werden, nimmt der Anteil freier, aktiver Moleküle ständig ab. In Reinigungsbädern müssen deshalb häufig Tenside nachdosiert werden. Wenn eine maximale Schmutzfracht erreicht ist, erfolgt der Wechsel der Reinigungslösung.
Mit demulgierenden Tensiden lassen sich die gebundenen Moleküle zusammen mit dem Schmutz wieder aus dem Wasser entfernen. Eine Tensidverbindung, die eine Emulsionstrennung bewirkt wird in der Chemie als Demulgator bezeichnet. Demulgatoren verdrängen die emulgierenden Moleküle und nehmen ihren Platz ein. Dadurch bilden sich aus der Flüssigkeit eine ölige und eine wässrige Phase aus. In Abscheidern können die Flüssigkeiten voneinander getrennt und das Wasser zurückgewonnen werden. Werden Reinigungslösungen aus Bädern im Kreislauf durch Abscheider geführt, lassen sich die Badstandzeiten deutlich verlängern.
Wirkung von Tensiden in Bearbeitungsemulsionen
Zur Kühlung und zur Verringerung der Reibung bei der spanenden Bearbeitung von Oberflächen werden häufig wassergemischte Kühlschmierstoffe eingesetzt. Von Vorteil ist dabei die gute Kühlwirkung des Wassers. Für die Schmierung sorgt untergemischtes Öl. Mit Hilfe von Tensiden wird erreicht, dass die beiden Flüssigkeiten eine stabile Emulsion bilden.
Fazit: Tenside sind in der chemischen Oberflächentechnik wichtig
Die Chemie stellt der Oberflächentechnik eine große Palette von Tensiden mit unterschiedlichen Eigenschaften zur Verfügung. Jede Tensidverbindung entfaltet ihre Wirkung im Zusammenspiel mit den anderen beteiligten Stoffen. Eine geringe Tensidkonzentration wirkt sich reduzierend auf die Grenzflächenspannung wässriger Lösungen aus. Über eine geregelte Dosierung lässt sich so das Fließverhalten von Farben und Lacken steuern. Für Reiniger wird ein erhöhter Tensidgehalt benötigt, bei dem sich die Tensidmoleküle auch im Inneren von Flüssigkeiten verteilen. Der Anteil von Tensiden in Kühlschmierstoffemulsionen richtet sich nach der benötigten Ölkonzentration.