« Schutzmaßnahmen in der Oberflächenbehandlung »
Die Verfahren der Oberflächenvorbehandlung und Oberflächenbehandlung unterliegen einem umfangreichen technischen Regelwerk. Die einzelnen Vorschriften helfen bei der Beurteilung der Gefahren und bei der Gestaltung wirksamer Maßnahmen für den Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz. Eine zentrale Rolle spielen die in den Prozessen eingesetzten chemischen Stoffe und Stoffgemische. Die Oberflächenvorbehandlung und Oberflächenbehandlung erfordern den sicheren Umgang mit Gefahrstoffen. Betriebsanweisungen für Gefahrstoffe sind dabei das zentrale Instrument für systematische Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz. Nach § 14 der Gefahrstoffverordnung müssen Unternehmer für alle Tätigkeiten mit gefährlichen Stoffen schriftliche Betriebsanweisungen erstellen, die als verbindliche Grundlage für Unterweisungen und den sicheren Arbeitsalltag dienen.
Das rechtliche Regelwerk für Gefahrstoffe
Die gesetzliche Grundlage für Rechtsvorschriften über gefährliche Substanzen ist das Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz -ChemG). Darin ist festgelegt, dass die diesbezüglichen Verordnungen der Europäischen Union in Deutschland verbindlich sind, wer für die Umsetzung dieser Vorschriften verantwortlich ist und wer zur Mitwirkung verpflichtet ist.
Bei den betreffenden Verordnungen handelt es sich um
- die Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), ((EG) Nr. 1907/2006)
- die Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP), ((EG) Nr. 1272/2008)
- die Verordnung über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten ((EU) Nr. 528/2012)
Auf diesen Rechtsvorschriften basiert die Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung – GefStoffV), die den Umgang mit gefährlichen Stoffen und Gemischen am Arbeitsplatz regelt.

Ergänzend zu den rechtlich verbindlichen Vorschriften erarbeitet der Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS). Technische Regeln beinhalten konkrete Vorschläge für die Umsetzung der einzelnen Forderungen, die dem Stand der Technik entsprechen.
Was sind Betriebsanweisungen für Gefahrstoffe?
Betriebsanweisungen für Gefahrstoffe sind arbeitsplatz-, tätigkeits- und stoffbezogene verbindliche schriftliche Anordnungen und Verhaltensregeln für den Umgang mit gefährlichen chemischen Stoffen. Sie fassen systematisch die wichtigsten Betriebssicherheitsaspekte zusammen und bilden die Grundlage für mündliche Unterweisungen der Beschäftigten.
Rechtliche Grundlagen für Betriebsanweisungen
Das Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz – ChemG) bildet die gesetzliche Grundlage. Darauf aufbauend regelt § 14 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV): “Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass den Beschäftigten eine schriftliche Betriebsanweisung, die der Gefährdungsbeurteilung nach § 6 Rechnung trägt, in einer für die Beschäftigten verständlichen Form und Sprache zugänglich gemacht wird.”
Die EU-Verordnungen bilden die übergeordnete rechtliche Basis:
- REACH-Verordnung ((EG) Nr. 1907/2006) zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe
- CLP-Verordnung ((EG) Nr. 1272/2008) über Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen
- Biozid-Verordnung ((EU) Nr. 528/2012) für Biozidprodukte
Konkrete Umsetzungshilfen bietet die TRGS 555, die detaillierte Vorgaben für Inhalt und Struktur von Betriebsanweisungen enthält.
Gefahrstoffe in der Oberflächentechnik: Wo Betriebsanweisungen erforderlich sind
Die Gefahren in der Oberflächenbearbeitung ergeben sich aus dem physikalischen Zustand (Temperatur, Druck, Aggregatzustand) und den chemischen Eigenschaften der eingesetzten Stoffe. Gesundheitsgefahren entstehen durch Vergiftungen, Reizungen und Verätzungen sowie durch heftige chemische Reaktionen einschließlich Brände.
Reinigung und Vorbehandlung von Oberflächen
Jede Oberflächenbehandlung setzt eine gründliche Entfernung von Rost, Zunder und fettigen Ablagerungen voraus. Stark alkalische oder saure Reinigungsmittel wirken beim Hautkontakt ätzend oder reizend und können in den Augen starke Schäden hervorrufen. Beim Sprühen bilden sich Aerosole, die beim Einatmen die Lungen schädigen können.
Gefahren beim Lackieren
Lack enthält technologisch bedingt organische Lösemittel, die das Auftragen ermöglichen und beim Trocknen verdunsten. Auch Lacke, die sich mit Wasser verdünnen lassen, enthalten oft solche Zusätze. Organische Lösemittel sind in der Regel brennbar. Ihre Dämpfe können mit der Luft explosionsfähige Gemische bilden. Einige Lösemittel sind giftig oder können Allergien auslösen. Besonders beim Lackieren mit Sprühgeräten oder Pinseln an Handarbeitsplätzen gelangen diese Stoffe in die Atemluft.
Gefahrstoffe in Kühlmitteln
Kühlwasserkreisläufe enthalten oft Biozide, die den Befall durch Algen, Pilze oder Bakterien verhindern. Das trifft auch für wassermischbare Kühlschmierstoffe in der Metallbearbeitung zu.
Zubereitung von Chemikalien für Prozesse der Oberflächentechnik
Ob ein Stoff mit charakteristischen Merkmalen tatsächlich als Gefahrstoff wirksam wird, hängt von seiner Konzentration in der Behandlungslösung ab. Oft werden von den Herstellern Konzentrate geliefert, die vor Ort mit Wasser oder anderen Chemikalien vermischt werden, bevor sie zum Einsatz kommen. Dabei sind in vielen Fällen die Konzentrate als Gefahrstoff eingestuft, während die Gemische ungefährlich sind. Besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt gilt dann der Lagerung der Produkte und der Zubereitung der Stoffgemische.
Technische Regeln Gefahrstoffe mit Bezug auf Oberflächenbehandlung
Die Technischen Regeln für Gefahrstoffe sind in zehn Hauptgruppen eingeteilt, die neben allgemeinen Erläuterungen und Begriffsbestimmungen technische Regeln zu arbeitsmedizinischer Vorsorge, Gefährdungsbeurteilungen, und Schutzmaßnahmen beinhalten. Ein besonderer Bereich ist für Maßnahmen des Brand- und Explosionsschutzes vorgesehen. Außerdem wurden Regeln für das Inverkehrbringen gefährlicher Stoffe sowie für Grenzwerte und Einstufungen festgelegt. Einen weiteren Schwerpunkt bilden technische Regeln über Ersatzstoffe und Ersatzverfahren, mit denen Gefährdungen sicher ausgeschlossen werden können.

Gefährdungsbeurteilung und Sicherheitsmaßnahmen
Die Gefährdungsbeurteilung ist die Grundlage dafür, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr festzulegen. Da die Vermeidung von Gefahrstoffen in der Oberflächentechnik meistens unmöglich ist, sind für diese Produkte Vorkehrungen für den sicheren Gebrauch zu treffen. Wie das zu bewerkstelligen ist, enthalten die TRGS 400 – 499: Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen.
Vorrang haben dabei technische Maßnahmen wie Absauganlagen, Lüftungseinrichtungen, Temperaturbegrenzungen an Behältern und chemikalienbeständige, rutschfeste Fußböden. Die Sicherheitstechnik wird durch organisatorische Maßnahmen ergänzt. Dazu gehören die Kennzeichnung von Gefahrenstellen, Absperreinrichtungen und regelmäßige Unterweisungen der Mitarbeiter über arbeitsschutzgerechtes Verhalten. Für die einzelnen Tätigkeiten werden Betriebsanweisungen erarbeitet und deren Einhaltung durchgesetzt. Der unmittelbare Schutz von Beschäftigten bei der Arbeit mit gefährlichen Stoffen wird durch persönliche Schutzausrüstungen (PSA) erreicht.
Gesichtsschutz, Schutzhandschuhe, Sicherheitsschuhwerk und Atemschutztechnik verhindern, dass ein Gefahrstoff zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt. Die TRGS 500 – 599 enthalten konkrete Vorschläge für Schutzmaßnahmen.
Bei der Verarbeitung von lösemittelhaltigem Lack in der Oberflächentechnik bestehen überdurchschnittlich hohe Brandgefahren. Die TRGS der Reihen 700 und 800 beschreiben detailliert Maßnahmen, die beim Schutz vor Bränden und Explosionen helfen.
Informationsquelle Sicherheitsdatenblatt

Darüber, ob ein Produkt als Gefahrstoff eingestuft ist und welche Risiken damit verbunden sind, gibt das Sicherheitsdatenblatt Auskunft. Die Angaben entsprechen der oben erwähnten Verordnung (EG) Nr. 1272/2008. Einen schnellen Überblick geben Gefahrenpiktogramme, Signalwörter, Gefahrenhinweise (H Sätze) und Sicherheitshinweise (P Sätze). Die Textaussagen zur näheren Erläuterung der Gefahren und zu erforderlichen Maßnehmen sind in den Anhängen III und IV der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 aufgelistet und durchnummeriert. Vielfach werden nur die Kombinationen aus Buchstaben und Nummern angegeben. In älteren Datenblättern werden noch R- und S-Sätze verwendet, die den gleichen Zweck erfüllen und aus den zum Zeitpunkt der Erstellung gültigen Rechtsvorschriften resultieren.
Die Sicherheitsdatenblätter enthalten ausführlichen Angaben zu:
- Erste Hilfe Maßnahmen
- Maßnahmen zur Brandbekämpfung
- Maßnahmen bei unbeabsichtigter Freisetzung
- Schutzausrüstungen
- Hinweise zur sicheren Anwendung
- Umweltschutzmaßnahmen
- Abfallentsorgung
- den physikalischen und chemischen Eigenschaften
Hersteller von chemischen Produkten legen die Sicherheitsdatenblätter den Lieferungen bei oder stellen sie dem Kunden auf Anforderung zur Verfügung. Mit diesen Informationen lassen sich die zutreffenden technischen Regeln gezielt finden und umsetzen.
Aufbau und Inhalt von Betriebsanweisungen für Gefahrstoffe
Die TRGS 555 legt die Gliederung für Betriebsanweisungen fest. Diese sollten übersichtlich gestaltet werden und möglichst auf einer DIN A4-Seite Platz finden. Gefahrenpiktogramme, Symbole und Warnzeichen erleichtern die Informationsaufnahme.
1. Arbeitsbereich/Arbeitsplatz/Tätigkeit
Beschreibung, wo und bei welcher Tätigkeit der Gefahrstoff zum Einsatz kommt.
2. Gefahrstoffbezeichnung
Produktname, Bezeichnung nach GHS/CLP, relevante Gefahrenpiktogramme.
3. Gefahren für Mensch und Umwelt
Konkrete Beschreibung der Gesundheits- und Umweltgefahren, H-Sätze.
4. Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln
Technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen, P-Sätze.
5. Verhalten im Gefahrfall
Maßnahmen bei Störungen, Unfällen oder Freisetzungen.
6. Erste Hilfe
Konkrete Erste-Hilfe-Maßnahmen je nach Expositionsweg.
7. Sachgerechte Entsorgung
Hinweise zur ordnungsgemäßen Abfallentsorgung.
Gruppen- vs. Einzelstoff-Betriebsanweisungen
Gruppenbetriebsanweisungen (GBA) genügen für Stoffe mit ähnlichen, nicht zu hohen Gefährdungen. Sie können digital bereitgestellt werden, sollten aber idealerweise ausgedruckt und am Arbeitsplatz verfügbar sein.
Einzelstoff-Betriebsanweisungen (EBA) sind erforderlich für Stoffe mit höheren Gefahrenpotenzialen:
- Krebserzeugende, erbgutverändernde, fortpflanzungsgefährdende Stoffe
- Tödlich giftige Stoffe
- Extrem- oder selbstentzündliche Stoffe
- Explosive Stoffe
- Stoffe, die permanent in größeren Mengen verwendet werden
Technische Schutzmaßnahmen in der Oberflächentechnik
Die Gefährdungsbeurteilung bildet die Grundlage für Schutzmaßnahmen. Technische Maßnahmen haben Vorrang vor organisatorischen und persönlichen Schutzmaßnahmen:
- Absauganlagen für lösemittelhaltige Dämpfe
- Lüftungseinrichtungen zur Verdünnung der Raumluft
- Temperaturbegrenzungen an Behältern
- Chemikalienbeständige, rutschfeste Fußböden
- Geschlossene Systeme zur Minimierung von Freisetzungen
Organisatorische Maßnahmen
- Kennzeichnung von Gefahrenstellen mit entsprechenden Piktogrammen
- Absperreinrichtungen für Gefahrenbereiche
- Regelmäßige Unterweisungen der Mitarbeiter
- Betriebsanweisungen als verbindliche Arbeitsgrundlage
- Wartungs- und Prüfpläne für Schutzeinrichtungen
Persönliche Schutzausrüstung (PSA)
Gesichtsschutz, Schutzhandschuhe, Sicherheitsschuhwerk und Atemschutztechnik bilden die letzte Schutzebene. Die TRGS 500-599 enthalten konkrete Vorschläge für Schutzmaßnahmen.
Brand- und Explosionsschutz
Bei der Verarbeitung lösemittelhaltiger Lacke bestehen überdurchschnittlich hohe Brandgefahren. Die TRGS 700er und 800er Reihen beschreiben detaillierte Maßnahmen für den Schutz vor Bränden und Explosionen:
- Zündquellenbeseitigung in explosionsgefährdeten Bereichen
- Explosionsschutzzonierung nach ATEX-Richtlinien
- Antistatische Maßnahmen bei der Handhabung brennbarer Flüssigkeiten
- Notfallausrüstung wie Feuerlöscher und Notduschen
Erstellung und Umsetzung von Betriebsanweisungen
Informationsquellen für Betriebsanweisungen
Das Sicherheitsdatenblatt bildet die wichtigste Grundlage für Betriebsanweisungen. Es gibt Auskunft über:
- Gefahrenpiktogramme und Signalwörter
- H-Sätze (Gefahrenhinweise) und P-Sätze (Sicherheitshinweise)
- Erste-Hilfe-Maßnahmen und Brandbekämpfung
- Schutzausrüstungen und Umweltschutzmaßnahmen
- Physikalische und chemische Eigenschaften
Weitere Informationsquellen:
- GESTIS-Stoffdatenbank der DGUV
- GisChem-Datenbank der BG RCI und BGHM
- International Chemical Safety Cards (ICSC)
Praktische Erstellungshilfen
Muster-Betriebsanweisungen der Berufsgenossenschaften bieten eine verlässliche Grundlage, müssen aber unbedingt an die betrieblichen Verhältnisse angepasst werden.
Software-Tools wie GisChem-Interaktiv erstellen automatisch Betriebsanweisungen aus Sicherheitsdatenblättern, erfordern aber nachträgliche betriebsspezifische Anpassungen.
Verbindlichkeit und Unterweisung
Betriebsanweisungen werden durch die Unterschrift des Unternehmers oder Vorgesetzten verbindlich und sind somit arbeitsrechtlich relevant. Sie müssen den Beschäftigten zugänglich gemacht und in mündlichen Unterweisungen erläutert werden. Alleiniges Auslegen oder Aushändigen reicht nicht aus.
Regelmäßige Aktualisierung und Kontrolle
Betriebsanweisungen müssen bei Änderungen der betrieblichen Abläufe angepasst werden. Eine regelmäßige, meist jährliche Kontrolle ist erforderlich. Anlässe für Aktualisierungen:
- Neue Sicherheitsdatenblätter der Hersteller
- Änderungen der Arbeitsverfahren
- Neue Erkenntnisse zu Gesundheitsgefahren
- Aktualisierung rechtlicher Vorgaben
- Erfahrungen aus Betriebsstörungen oder Unfällen
Fazit: Betriebsanweisungen als Herzstück des Gefahrstoffmanagements
Betriebsanweisungen für Gefahrstoffe sind mehr als nur rechtliche Verpflichtung – sie sind das zentrale Kommunikationsinstrument zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten für den sicheren Umgang mit gefährlichen Stoffen. In der Oberflächentechnik, wo der Kontakt mit ätzenden, giftigen oder brennbaren Substanzen alltäglich ist, gewährleisten gut erstellte und regelmäßig aktualisierte Betriebsanweisungen systematischen Arbeitsschutz.
Der Erfolg liegt in der betriebsspezifischen Anpassung standardisierter Vorlagen und der konsequenten Umsetzung durch regelmäßige Unterweisungen. Nur so entfalten Betriebsanweisungen ihre volle Schutzwirkung und tragen zur Rechtssicherheit des Unternehmens bei.