« Schlüsselprozess zur Verbesserung der Oberflächenqualität und Korrosionsbeständigkeit »
Die besondere Bedeutung von Stahl als Konstruktionswerkstoff lässt sich neben der hohen, preiswerten Verfügbarkeit vor allem auf die vielfältigen Möglichkeiten zurückführen, seine mechanischen und chemischen Eigenschaften an unterschiedliche Anforderungen anzupassen. Daran hat die Oberflächentechnik einen beachtlichen Anteil. In ihren Aufgabenbereich fällt unter vielem anderen die Phosphatierung. Lesen Sie hier, wie sich Stahl phosphatieren lässt und welche Vorteile daraus resultieren.
Phosphatierung von Stahl
Phosphorsäure als Basischemikalie
Um Stahl zu phosphatieren, ist der Einsatz von phosphorsäurehaltigen Produkten erforderlich. Wasserfreie Phosphorsäure ist ein Stoff, der aus drei Atomen Wasserstoff, einem Phosphoratom und vier Sauerstoffatomen zusammengesetzt ist (Formel H3PO4). Die Schmelztemperatur liegt bei 42,35 °C. In feuchter Umgebung nimmt Phosphorsäure schnell Wasser auf und neigt dann zum Zerfließen. Die Säure ist leicht in Wasser löslich. Kommt die Lösung mit Metallionen in Kontakt, besetzen diese die Stellen, an denen vormals Wasserstoff war. Es bilden sich Metallphosphate, die sich kaum oder gar nicht in Wasser auflösen lassen.
Bildung von Konversionsschichten
Die Oberflächenbehandlung nutzt dieses Verhalten, um Stahl zu phosphatieren und auch auf einigen anderen metallischen Werkstoffen Phosphatschichten zu erzeugen. Bei der Phosphatierung laufen chemische Prozesse ab, die den Grundwerkstoff in die Reaktionen einbeziehen. In der Folge entstehen Konversionsschichten. Konversion bedeutet hier, dass sich der Werkstoff an der Oberfläche zu einem Salz, speziell zu einem Phosphat umwandelt. Dadurch sind Phosphatschichten eng mit dem Material verwurzelt.
Komplexer Schichtaufbau durch zusätzliche Metalle
Enthält die Phosphatierlösung weitere Metallionen, beteiligen sich diese an der Schichtbildung. Von den reagierenden Metallen leiten sich die Bezeichnungen für die unterschiedlichen Verfahren ab. Weit verbreitet sind die Eisen-, die Zink- und die Manganphosphatierung. Außerdem sind Trikation-Zinkphosphatierungen, z.B. mit Zink, Nickel und Mangan im Einsatz. Ferner können wasserlösliche Verbindungen der Metalle Kalzium, Natrium, Kupfer, Zirkonium oder Titan verwendet werden, um spezielle Eigenschaften der Oberflächen zu erzielen.
Eigenschaften und Einsatzgebiete von Phosphatschichten
Phosphatiert man Stahl, dann führt dies zu einer höheren Korrosionsbeständigkeit und verbessert die Oberflächenqualität der Erzeugnisse. Die entstehenden Schichten sind
- wasserunlöslich
- fest haftend
- auf der gesamten Oberfläche dicht
- fein kristallin
- saugfähig für das Auftragen von Schmiermitteln und Lacken
- elektrisch isolierend
- widerstandsfähig gegen Verschleiß.
Daraus ergeben sich vielfältige Einsatzzwecke:
Als korrosionshemmende und haftvermittelnde Grundlage für Beschichtungssysteme sind Phosphatschichten häufig im Maschinen- und Anlagenbau, in der Automobilindustrie und in der Bauindustrie anzutreffen.
Die feinkristalline Struktur von Zinkphosphatschichten, die sich hervorragend für die Aufnahme von Schmiermitteln eignet, führt zur Nutzung als Gleitschicht bei der Kaltumformung von Stahl. Reibung reduziert sich, Kaltverschweißen von Werkzeug und Werkstück lässt sich vermeiden.
Schichten aus der Manganphosphatierung überzeugen durch ihr Aufnahmevermögen für Schmierstoffe und ihre verschleißmindernde Wirkung, die sich besonders auf das verbesserte Einlaufverhalten von Bauteilen für Getriebe auswirkt.
Die elektrisch isolierende Wirkung der Phosphatschichten ist der Grund, Stahl zu phosphatieren, um ihn in der Elektroindustrie zu nutzen.
Stahl phosphatieren – Überblick über die Verfahren
Eisenphosphatierung
Dieses leicht zu handhabende Verfahren eignet sich für den temporären Korrosionsschutz bei der Zwischenlagerung von Bauteilen und als guter Haftgrund für eine abschließende Lackierung von Erzeugnissen aus Stahl. Das Phosphatieren erfolgt mit Phosphorsäure in einem kombinierten System gemeinsam mit der Entfettung der Teile. Der Schichtaufbau lässt sich über die Einwirkzeit und die Nachdosierung der Säure steuern. Grundlage dafür ist die Überwachung des pH-Wertes, der Auskunft über den Verbrauch der Phosphorsäure gibt. Da alle Metallionen in der Schicht aus dem Grundwerkstoff stammen, wird die Eisenphosphatierung als nicht schichtbildendes Verfahren bezeichnet.
Zinkphosphatierung
Die Zinkphosphatierung zählt zu den am meisten eingesetzten Phosphatierungsverfahren in der Oberflächenbehandlung, weil sie eine höhere Beständigkeit gegen Korrosion erreicht. Häufig erfolgt sie in der Automobilindustrie als Trikation-Phosphatierung mit Nickel, gefolgt von einer kathodischen Tauchlackierung. Auch die Bauindustrie nutzt das Verfahren, Stahl zu phosphatieren, um Korrosionsschutz zu erreichen. Die Schichtbildung beginnt an der Oberfläche der Bauteile durch die Bildung von Eisenphosphaten, die mit Zink- und ggf. Nickelphosphaten durchsetzt sind. Ist die Oberfläche bedeckt, wächst die Schicht mit den verbleibenden Metallionen aus der Phosphatierungslösung weiter. Deshalb wird das Verfahren als schichtbildend bezeichnet.
Manganphosphatierung
Die Manganphosphatierung läuft analog zur Zinkphosphatierung ab. Auch bei diesem Verfahren, Stahl zu phosphatieren, entstehen an der Oberfläche zuerst Schichten, die Eisen- und Manganphosphat enthalten. Je weiter die Schicht wächst, je höher ist der Anteil an Mangan. Das Verfahren ist definitionsgemäß schichtbildend. Manganphosphat zeichnet sich durch eine sehr gute Korrosionsbeständigkeit, eine hohe Härte und eine sehr feine Kristallstruktur mit einer hervorragenden Oberflächenqualität aus. Darauf lassen sich die Widerstandsfähigkeit gegen Verschleiß und das Aufnahmevermögen für Schmierstoffe zurückführen. Die Nutzungsdauer von Bauteilen wie Lager, Buchsen, Zahnräder und Gleitbahnen erhöht sich erheblich.
Prozessführung und Umweltverträglichkeit
Sichere Prozessführung
Um den Anforderungen an Oberflächenqualität und Korrosionsbeständigkeit der Phosphatschichten gerecht zu werden, sind eine sorgfältige Vor- und Nachbehandlung der Oberflächen sowie eine präzise Prozessführung erforderlich. Voraussetzung dafür sind zunächst auf die speziellen Prozesse abgestimmte Prozesschemikalien. Kluthe bietet mit der DECORRDAL-Produktreihe ein umfangreiches Sortiment an, das alle Prozessschritte, die erforderlich sind, um Stahl zu phosphatieren, vollständig abdeckt. Für die präzise Prozessführung hat Kluthe eine automatische Prozesskontrolle entwickelt. Im Zusammenwirken der DECORRDAL-Produkte und der automatischen Prozesskontrolle entstehen Phosphatschichten mit den für den vorliegenden Einsatzzweck benötigten Eigenschaften.
Verbesserungsfähige Umweltverträglichkeit
Die Prozessführung beim Stahl Phosphatieren ist allerdings an die Vorgaben gebunden, die chemische Prozesse setzen. Chemische Reaktionen sind in der Mehrzahl Gleichgewichtsreaktionen. In der Phosphatierlösung stellen sich Gleichgewichte zwischen den Komponenten ein. Je mehr Stoffe beteiligt sind, umso komplizierter wird das Zusammenwirken. Beispielsweise müssen die Metalle, die zur Schichtbildung beitragen sollen, in der Phosphatierlösung löslich sein. Dazu müssen sie als Salze oder ähnliche chemische Verbindungen vorliegen. Haben sich die Metalle ordnungsgemäß in die Schicht eingegliedert, bleiben die Reste aus diesen Verbindungen übrig. Sie bilden mit Phosphat- und Metallionen, die aufgrund der Gleichgewichte in der Lösung geblieben sind, einen Schlamm, der kontinuierlich aus der Anlage entfernt und als Sondermüll entsorgt werden muss.
Weiterentwicklung für mehr Nachhaltigkeit
Für eine bessere Umweltverträglichkeit und mehr Nachhaltigkeit werden die Prozesse stets weiterentwickelt. In diesem Sinne bietet Kluthe zum Beispiel die Niedrigtemperatur-Zinkphosphatierung und die Dünnschichttechnologie an. Bei der Niedrigtemperatur-Zinkphosphatierung ergibt sich eine deutliche Einsparung an Heizenergie und Ergänzungslösung. Außerdem entsteht weniger und leichter entfernbarer Schlamm. Die Dünnschichttechnologie umfasst verschiedenen Verfahren, die auf allen Metalloberflächen sehr dünne Konversionsschichten aus Zirkonium und Oxiden erzeugen.