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Haftfestigkeit von Lack

« Warum ist sie so wichtig? Wie wird sie verbessert? »

Die Lackierung eines Autos besteht im Regelfall aus vier Schichten: nach der Grundierung kommt eine Füllerschicht, darauf der Basislack und zum Abschluss der Klarlack. Diese Lackschichten schützen die Autokarosserie vor Witterungseinflüssen und mechanischen Einwirkungen, wie zum Beispiel Steinschlag. Gleichzeitig ist diese Schicht sehr dünn und mit einem Millimeter fast so dünn wie ein menschliches Haar. Die Schichten bedingen außerdem den passenden Korrosionsschutz. Auch der Lackfilm auf Kunststoffoberflächen ist meist nicht viel größer. Wie kann garantiert werden, dass diese zweite Haut auf einer Oberfläche lange hält und worauf beruht eigentlich die Haftfestigkeit dieser Lacke?

Lack muss vielfältige Aufgaben erfüllen

Schön, farbig, glänzend – moderner Lack muss dem Auge gefallen. Eine der wichtigsten Funktionen ist die dekorative Funktion, die durch immer neue Farbtöne, Pigmentierungen und Glanzeffekte erreicht wird. Fast noch wichtiger ist die Schutzfunktion – denn was nützt die schönste Oberflächenbeschichtung, wenn sie nicht dauerhaft vor Korrosion, Verwitterung oder biologischem Abbau bewahrt. Daher spielt der Korrosionsschutz durch eine festhaftende Lackierung eine sehr große Rolle, auch in Bezug auf die Werterhaltung von Werkstücken, von Gebäuden oder tragender Infrastruktur, wie beispielsweise von Brücken. Schließlich können Lacke sehr spezielle Funktionen erfüllen.

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Sie umhüllen als Elektroisolierlacke elektrische Leiter und bilden eine isolierende Schutzschicht, während sogenannte Leitlacke die genau entgegengesetzte Funktion erfüllen. Diese erzeugen Schichten, die elektrisch leitfähig sind. Andere Speziallacke werden im Straßennetz als Straßenmarkierungsfarben eingesetzt und haben Signalwirkung für Fußgänger, Rad- und Autofahrer. Schwer entflammbare Oberflächen werden für Brandschutzsysteme eingesetzt und verhindern oder verzögern zumindest die Ausbreitung von Bränden. Die Oberflächenbeschichtung spielt somit nicht nur für den Betrachter eine wichtige Rolle, sondern übernimmt essenzielle Aufgaben, indem sie die Eigenschaften verändert.

Wie entsteht die Haftfestigkeit von Lack auf verschiedenen Oberflächen?

An der Oberfläche zwischen Lackfilm und Untergrund herrschen Anziehungskräfte zwischen diesen verschiedenen Stoffen. Diese Kräfte werden auch als Adhäsionskräfte bezeichnet.

An der Grenzfläche zwischen den verschiedenen Phasen wirken molekulare Wechselwirkungen, die von den beiden Oberflächen und ihren Beschaffenheiten abhängen.

In der Oberflächentechnik unterschiedet man zwischen der mechanischen Adhäsion und der spezifischen Adhäsion.

Mechanische Kräfte sorgen für Zusammenhalt

Die mechanische Adhäsion geht davon aus, dass sich an der Oberfläche kleine Vertiefungen und mikroskopisch kleine Poren befinden, die sich ineinander verklammern. Makroskopisch kann man diese Form der Adhäsion mit einem Klettverschluss vergleichen, bei dem die Haftfestigkeit durch genau diese Verklammerung zustande kommt.

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Mit dieser Theorie können allerdings nicht alle Haftphänomene ausreichend beschrieben werden. So stellt sich die Frage, weshalb ein Lack auf einer glatten Metall- oder Kunststoffoberfläche haftet. Um dieses Phänomen zu verstehen, muss man sich auf die molekulare Ebene begeben.

Elektrostatische Anziehungskräfte und ein Blick auf die molekulare Ebene geben weiteren Einblick in das Phänomen der Haftfestigkeit

Die Haftfestigkeit auf Metallen kann durch die elektrostatische Theorie von Derjagin erklärt werden. Die Adhäsion kommt durch Ladungsverschiebungen zustande, die zu elektrostatischer Anziehung führen. Ähnlich erklärt die Polarisationstheorie die Haftfestigkeit auf polaren Stoffen.

Auch hier entsteht die Anziehung durch die Polarisation der Oberflächenmoleküle und damit die Haftung durch elektrostatische Anziehung.

Auf unpolare Oberflächen lassen sich die beiden Theorien nicht anwenden. Hier geht die Diffusionstheorie davon aus, dass die Moleküle der verschiedenen Oberflächen zumindest teilweise ineinander diffundieren – falls sie eine gewisse chemische Affinität zueinander besitzen. Auch die Temperatur spielt eine Rolle. Je höher diese ist, desto höher ist die Eigenbewegung der beteiligten Teilchen und damit ihr Diffusionsvermögen.

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Die Grenzflächentheorie schließlich betrachtet die Oberflächen aus einem thermodynamischen Blickwinkel. Danach wird die Benetzung vor allem dann erfolgreich sein, wenn der energetische Zustand an dieser Phasengrenze günstiger ist als im Inneren der Flüssigkeit. Das heißt umgekehrt: eine Flüssigkeit, beziehungsweise ein Lack, wird von einer Oberfläche abperlen und als einzelner Tropfen oder Kugel dort bleiben, wenn dieser Zustand energetisch günstiger ist.

Von der Theorie in die Praxis – wie kann die Haftfestigkeit von Lack verbessert werden?

Kennt man die Theorie und die Faktoren, die die Haftfestigkeit von Lack beeinflussen, kann man Untergrund und Lackfilm ideal aufeinander abstimmen. Das Ziel jeder Oberflächenbeschichtung ist immer die vollständige Benetzung durch die Lackierung.

Rauhe Oberflächen erhöhen die Haftung durch mechanische Verklammerung

Die mechanische Adhäsion kann durch Aufrauen erhöht werden. Dies kann man sich bildlich vor Augen führen: eine höhere Oberflächenrauheit führt dazu, dass Lackmoleküle in diese feinen Strukturen eindringen, die Benetzung erhöht und es ingesamt zur bereits angesprochenen mechanischen Verklammerung von Oberfläche und Lackfilm kommt. Zudem wird insgesamt die effektive Grenzfläche vergrößert und auch damit die Haftfestigkeit verbessert.

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Damit eine vollständige Benetzung stattfinden kann, ist absolute Reinheit notwendig. Sind noch kleinste Fremdkörper auf der Oberfläche vorhanden, so stören diese die Benetzung und die Oberflächenbeschichtung ist nicht optimal. Eine Methode, um optimal vorzubereiten, ist die Plasmabehandlung.

Grenzflächen werden durch chemische Vorbehandlung optimal auf eine Oberflächenbeschichtung vorbereitet

Vor allem Kunststoffe müssen vor der Lackierung einer Vorbehandlung unterzogen werden. Diese besitzen im Regelfall eine schlecht benetzbare, unpolare Oberfläche. Ziel einer Oberflächenbehandlung muss daher sein, funktionelle Gruppen einzuführen, die die Polarität der Oberfläche erhöhen – in den meisten Fällen sind dies sauerstoffhaltige, funktionelle Gruppen.

oberflaechenvorbehandlung

Die am häufigsten eingesetzten Verfahren der Oberflächentechnik sind das Beflammen, die Corona-Behandlung, die Plasmaaktivierung sowie die Fluorierung:

  • Die Beflammung wird mit einem Brenner durchgeführt, wodurch bestimmte funktionelle chemische Gruppen an der Oberfläche eingeführt werden, die die Oberflächenenergie insgesamt erhöhen. Mit dieser Technik werden beispielsweise Polyolefine behandelt, die eine geringe Oberflächenspannung und damit geringe Oberflächenenergie besitzen.
  • Bei der Corona-Behandlung wird der Kunststoff einer elektrischen Hochspannungsentladung ausgesetzt.
  • Bei der Plasmaaktivierung wird in einer Vakuumkammer ein angeregtes, ionisiertes Gas – das Plasma – erzeugt. Dieses reinigt die Kunststoffoberfläche und aktiviert sie gleichzeitig. Die Aktivierung erfolgt in diesem Fall durch das Aufbrechen von chemischen Bindungen an der Oberfläche durch die Ionen aus dem Plasma.
  • Schließlich gibt es mit der Fluorierung eine weitere Möglichkeit der Oberflächenaktivierung. Bei diesem Verfahren wird die Kunststoffoberfläche einem Fluorgemisch ausgesetzt. Fluor ist ein hochreaktives Gas, das mit den Wasserstoffatomen aus der Polymerkette reagiert. Unter Bildung von Fluorwasserstoff werden die Wasserstoffatome in der Polymeroberfläche ersetzt. Die Polarität der Oberfläche, und damit gleichzeitig die Oberflächenergie, wird erhöht.

Der gesamte Prozess muss aufeinander abgestimmt sein

Gerade im Fall von Kunststoffoberflächen müssen Vorbehandlung und anschließender Lackauftrag eng aufeinander abgestimmt sein. Beispielsweise sind nicht alle Methoden zur Oberflächenaktivierung langzeitstabil. So sollte direkt nach der Coronabehandlung der Lackfilm aufgetragen werden, um eine vollständige Benetzung der Oberfläche, und damit Haftfestigkeit des Lacks auf der Oberfläche, zu garantieren. Gerade bei Kunststoffen sollte man zudem auf das Material an sich achten, bevor man mit dem Lackierungsprozess beginnt. Denn Kunststoffe können Additive enthalten, beispielsweise Weichmacher oder Trennmittel, die aus dem Kunststoff ausdiffundieren. Diese können die Haftfestigkeit von Lack beeinträchtigen oder den gesamten Kunststoff unbrauchbar machen für eine Lackbehandlung.

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Auf der anderen Seite können Lacke Lösemittel enthalten, die die Kunststoffoberfläche angreifen. Auch in diesem Fall ist die Haftfestigkeit beeinträchtigt und der Auftrag eines schützenden Lackfilms kann nachhaltig beeinträchtigt werden.

Die Haftfestigkeit von Lack ist heutzutage wichtig, um Autos, Werkstoffe oder Industriebauwerke, wie Brücken vor Umwelteinflüssen zu schützen.

Neben dem Korrosionsschutz spielt auch die Ästhetik eine Rolle, was man an der immer größer werdenden Palette von Farb- und Glanzeffekten unserer Autos sieht. Die Oberflächenbeschichtung ist heutzutage eine ausgeklügelte Technik, die nicht nur den gesamten Prozess, die wachsenden Ansprüche an Funktionalität und Farbgestaltung, sondern auch die verschiedenen Materialien im Blick haben muss. Nur durch eine gute Abstimmung aller dieser Aspekte werden diese Ansprüche erreicht.

Über Chemische Werke Kluthe GmbH

Als Spezialist für Oberflächenbehandlung entwickeln und produzieren die Chemischen Werke Kluthe GmbH chemische Produkte sowie innovative Prozesslösungen für die Bereiche Forming & Protection, Metalworking & Cleaning, Pretreatment und Paint Shop. In diesen Geschäftsbereichen finden wir unsere Schwerpunkte und können so unseren Kunden als Spezialisten und Generalisten eine optimale Beratung gewährleisten.