« Kathodische Tauchlackierungen ist die ideale Grundierung für Bauteile mit komplizierten Strukturen »
Bei der KTL-Beschichtung verhilft ein elektrisches Feld komplex aufgebauten Metallteilen zu einer gleichmäßigen, haltbaren Lackschicht. Dort, wo andere Beschichtungsverfahren vor der komplizierten Geometrie kapitulieren, eröffnet die kathodische Tauchlackierung neue Wege. Der technische Aufwand ist bei dieser Beschichtungstechnologie zwar höher als bei den anderen Methoden der Lackierung, aber für große Serien und hohe Ansprüche an das Ergebnis lohnt sich die Investition. Langfristig wirkt sich die höhere Materialausbeute kostensenkend aus.
Physikalische Vorgänge bei der kathodischen Tauchlackierung
Wenn Gleichstrom fließt, bewegen sich Ladungsträger in einem geschlossenen Stromkreis vom negativen Pol einer Spannungsquelle zum positiven Pol. Innerhalb eines elektrischen Leiters sind Elektronen die Ladungsträger. Führt der Weg durch eine Flüssigkeit, in der Ionen enthalten sind, transportieren die Ionen die elektrische Ladung. Der Fachbegriff für solche Flüssigkeiten lautet Elektrolyt. Die Ionen wandern im elektrischen Feld zu dem Pol mit der entgegengesetzten Ladung.
Die materielle Basis für die Pole sind Metalle, die als Elektroden bezeichnet werden. Die positive Elektrode heißt Anode, die negative Elektrode nennt man Kathode. Bei der kathodischen Tauchlackierung übernimmt das Teil, das lackiert werden soll, die Rolle der Kathode. Der Elektrolyt besteht hauptsächlich aus Wasser und dem Rohstoff für die Oberflächenbeschichtung. Folglich wird für die KTL ein Rohstoff benötigt, der wasserlöslich ist und im Wasser Ionen mit zueinander entgegengesetzter Ladung bildet. Die positiven Ionen bestehen aus Kunstharz und Farbpigmenten. Die negativen Ionen sind Säurerest-Ionen. Durch den Spannungsunterschied zwischen den Elektroden zersetzt sich das Wasser. An der Kathode bildet sich Wasserstoff und lässt negative geladene Hydroxidionen zurück. Der Wasserstoff perlt an die Oberfläche des Elektrolyten. Die Hydroxidionen reagieren mit den Lack-Ionen, die sich als Film auf der Kathode ablagern.
An der Anode bildet sich Sauerstoff und lässt positiv geladene Wasserstoffionen zurück. Der gasförmige Sauerstoff entweicht. Die Wasserstoffionen verbinden sich mit den Säurerest-Ionen zu einer Säure, die aus dem Prozess ausgeschleust wird.
Der Lackfilm wirkt mit steigender Dicke elektrisch isolierend. Dadurch verändert sich die Geometrie des elektrischen Feldes. Der Lack bildet sich zunächst auf den äußeren Oberflächen des Bauteils. Sinkt dort aufgrund der Isolation die Feldstärke, wird sie in Hohlräumen des Teils größer und die Lack-Ionen wandern zu den inneren Flächen. Die Fähigkeit von KTL-Lacken, Hohlräume zu erreichen, wird als Umgriffvermögen bezeichnet. Der Lackfilm erhält durch einen abschließenden Einbrennprozess seine endgültige Festigkeit. Unter dem Einfluss hoher Temperaturen schmilzt der Film, vernetzt sich und härtet aus.
Verfahrenstechnische Umsetzung der KTL-Beschichtung
Vorbereitung der Oberflächen
Vor der Beschichtung müssen die Oberflächen gründlich gereinigt werden. Die von Rost, Zunder und Staub befreiten Teile werden in Tauchbecken mit alkalischen Lösungen gewaschen. Die Waschlaugen entfernen fettige Verunreinigungen. Nach der Wäsche bekommen die Teile eine Phosphatschicht. Die Phosphatierung ist erforderlich, um der KTL-Beschichtung eine Grundlage zu bieten, auf der sie fest haften kann. Außerdem trägt die Phosphatschicht zum Korrosionsschutz bei.
Nach jedem Prozessschritt werden die Teile mehrmals sorgfältig gespült. Unmittelbar vor dem nächsten Schritt wird für das Spülen vollentsalztes Wasser (VE-Wasser) verwendet. Auf diese Weise wird das Einschleppen von Chemikalien aus den Stufen der Vorbehandlung in die folgenden Bäder verhindert.
Die kathodische Tauchlackierung
Die KTL-Beschichtung erfolgt in großen Tauchbecken, die mit Anoden bestückt sind. Die zu lackierenden Teile werden leitend mit dem Minuspol eines Gleichrichters verbunden und in das Becken eingetaucht. Kleinere Bauteile werden zu diesem Zweck an Gestellen angebracht. In der Industrie sind KTL-Anlagen in Betrieb, mit denen komplette Karosserien beschichtet werden können. Zur Optimierung dieses Prozesses werden mehrere Anoden eingesetzt, die nacheinander mit Spannung beaufschlagt werden, während die Karosserie an ihnen vorbeiläuft.
Bei Spannungen von bis zu 300 V bildet sich innerhalb von wenigen Minuten die Lackschicht aus. Die Stromstärke stellt sich durch den ohmschen Widerstand des Gesamtsystems ein. Am Anfang der Oberflächenbeschichtung erreicht sie sehr hohe Werte. Während der Lackierung verringert sie sich. Über die Stromstärke lässt sich die Schichtdicke einstellen, die zwischen 15 µm und 60 µm liegen kann. Die kleineren Werte betreffen Dünnschichten, die meist als Grundierung für eine nachfolgende Lackierung dienen. Bei den höheren Werten handelt es sich um Dickschichten, die nicht überlackiert werden sollen. Die Säure, die sich an der Anode bildet, wird über Dialysezellen aus dem Becken ausgeschleust und entsorgt. Dadurch bleibt der pH-Wert im Becken konstant.
Umwälzpumpen fördern während des Prozesses die Badflüssigkeit ständig im Kreislauf durch Filter, in denen überschüssige Reaktionsprodukte zurückgehalten werden. In diesem Kreislauf sind auch Kühler enthalten, die der Flüssigkeit Wärme entziehen. Letzteres ist notwendig, weil durch den ohmschen Widerstand im Becken Wärme freigesetzt wird, die zu einer unzulässigen Temperaturerhöhung führen würde. Die Ergänzung der verbrauchten Grundstoffe für die Lackierung und die Temperaturregelung ermöglichen einen kontinuierlichen Betrieb der Anlage. Nach der Lackierung werden die Teile mit VE-Wasser gespült. Überflüssiger Lack gelangt mit dem Spülwasser zurück in das Tauchbecken.
Das Einbrennen der Lackschicht
Während der KTL-Beschichtung im Becken koagulieren die Lackteilchen auf der Werkstückoberfläche. Das Ergebnis der Koagulation wird bei starker Vergrößerung sichtbar. Es ist zu erkennen, dass sich der Lackfilm aus vielen kleinen Kugeln zusammensetzt. Diese Kugeln werden in einem Einbrennofen aufgeschmolzen. Dadurch verlaufen sie zu einer gleichmäßigen Schicht. Danach vernetzten sich die Lackteilchen. Es bildet sich eine harte Schicht aus, die sich sehr gut als Grundierung für weitere Beschichtungsverfahren eignet.
Anforderungen an die Konstruktion der Werkstücke
Für die KTL-Beschichtung sind Bauteile geeignet, die nicht schöpfen. Das bedeutet, in den Hohlräumen darf sich keine Flüssigkeit ansammeln. Geeignete Bohrungen an tief gelegenen Stellen ermöglichen, dass die Badflüssigkeit vollständig abläuft, wenn die Teile aus dem Bad gehoben werden. Beim Eintauchen dürfen sich in den Hohlräumen keine Luftpolster bilden. Wenn diese Gefahr besteht, müssen Entlüftungsbohrungen an den oberen Flächen vorgesehen werden, durch die eingeschlossene Luft entweichen kann. Diese Anforderungen müssen bei der Konstruktion von Bauteilen, die für eine Tauchlackierung vorgesehen sind, berücksichtigt werden.
Vorteile der KTL-Beschichtung
Der große Vorteil der des Verfahrens besteht in der Möglichkeit, Teile mit komplexen Geometrien, Kanten und Hohlräumen gleichmäßig zu beschichten. Da die KTL-Beschichtung multimetallfähig ist, lassen sich Teile, die aus unterschiedlichen Metallen zusammengefügt sind, mit einer einheitlichen Lackierung versehen. Tropfen und Spuren, die entstehen, wenn Lacktropfen über die beschichtete Oberfläche rinnen, werden sicher vermieden.
Mit der Oberflächenbeschichtung durch KTL-Lacke wird ein hervorragender Korrosionsschutz erreicht. Die Lackschicht ist chemikalienbeständig. Ihre Härte führt zur Unempfindlichkeit gegen Kratzer und Steinschläge. Deshalb wird diese Beschichtungstechnologie häufig im Fahrzeugbau, im Landmaschinenbau und bei der Herstellung von Baumaschinen eingesetzt.
Da die kathodische Tauchlackierung auf der Basis von Wasser arbeitet und nahezu keine Materialverluste auftreten, ist sie sehr umweltschonend und wirtschaftlich. Das Beschichtungsverfahren lässt sich vollautomatisiert durchführen. In den Bädern können sehr große Bauteile beschichtet werden. Soll die Beschichtung vieler kleiner Teile erfolgen, kann das gleichzeitig geschehen.