Der Flammpunkt ist eine grundlegende sicherheitstechnische Kennzahl zur Beurteilung der Gefahren, die von brennbaren Flüssigkeiten ausgehen. In der Oberflächenbehandlung und der Oberflächenbearbeitung werden Reinigungs- und Lösemittel, Farben und Lacke sowie Schmierstoffe eingesetzt. Einige dieser Stoffe sind brennbar. Maßnahmen zur Verhinderung von Bränden und Explosionen orientieren sich am Flammpunkt und anderen sicherheitstechnischen Kennzahlen.
Der Flammpunkt – eine einfache Definition
Der Flammpunkt ist die niedrigste Temperatur, bei der sich Dämpfe, die von einer brennbaren Flüssigkeit unter normalen Bedingungen gebildet werden, entzünden lassen. Normale Bedingungen sind eine Temperatur von 21 °C und der mittlere atmosphärische Druck von 1 bar. Die Dämpfe entstehen durch Verdunstung. Je wärmer die Flüssigkeit ist, desto stärker verdunstet sie. Ist der Siedepunkt erreicht, beginnt sie zu verdampfen. Die physikalische Größe, die dieses Verhalten beschreibt, ist der Dampfdruck. Er wird ermittelt, indem man den Luftdruck über einer Flüssigkeit bei gleichbleibender Temperatur soweit absenkt, bis sie zu sieden beginnt.
Dampfdruck und Explosionsgrenzen
In einem geschlossenen Gefäß stellt sich bei konstanter Temperatur ein Gleichgewicht zwischen den Dämpfen in der Luft und der Flüssigkeit ein. Der Volumenanteil des Dampfes in der Luft entspricht dann dem Verhältnis von Dampfdruck zum Gesamtdruck. Liegt dieser Anteil innerhalb der Explosionsgrenzen, lässt sich das Gemisch zünden. Außerhalb dieses Bereichs ist entweder zu wenig oder zu viel Dampf im Gemisch enthalten. Die untere und die obere Explosionsgrenze sind wie der Flammpunkt sicherheitstechnische Kennzahlen. Sie sind im Gegensatz zu physikalischen Eigenschaften der Stoffe abhängig von den Bedingungen, unter denen sie ermittelt werden. Um vergleichbare Werte zu erhalten, sind diese Bedingungen genormt.
Flammpunktermittlung
Zur Ermittlung des Flammpunktes wird die brennbare Flüssigkeit in einer standardisierten Versuchsapparatur langsam und gleichmäßig erhitzt. In regelmäßigen Temperaturstufen wird eine Zündquelle eingeschaltet. Beim Erreichen des Flammpunktes entzündet sich der Dampf. Die Flamme verlöscht schnell wieder, weil die Flüssigkeit nicht sofort neuen Dampf liefern kann. Wird weiter Wärme zugeführt, bildet sich eine stabile Flamme aus. Dann sind die Mengen von entstehendem und verbrennendem Dampf gleichgroß. Die Temperatur, bei der das eintritt, wird als Brennpunkt bezeichnet. Der Brennpunkt liegt meistens dicht am Flammpunkt. Bei sicherheitstechnischen Überlegungen spielt er keine Rolle.
Bedeutung des Flammpunktes bei der Gefährdungsbeurteilung
Der Flammpunkt bildet die Grundlage für die Einschätzung der Brennbarkeit von Flüssigkeiten. Liegt er unter 0 °C, ist die Flüssigkeit hochentzündlich, zwischen 0°C und 21 °C ist sie leichtentzündlich und ab bei Werten zwischen 21 °C und 55 °C wird sie als brennbar eingestuft.
Explosionsschutz erforderlich
Beim Umgang mit hoch- und leichtentzündlichen Flüssigkeiten sind Maßnahmen zum Explosionsschutz erforderlich. Das Gemisch aus diesen Dämpfen mit Luft bildet eine explosionsfähige Atmosphäre, die bereits durch einen elektrischen oder mechanisch erzeugten Funken gezündet werden kann. In einer solchen Atmosphäre können sich die die Flammen mit Geschwindigkeiten von über 100 m/s ausbreiten. Dabei kommt es zu einer starken Druck- und Temperaturerhöhung, die die Verbrennung weiter beschleunigt.
Brennbare Flüssigkeiten können sich an durch Reibung erhitzten Flächen entzünden, wenn die die stoffspezifische Zündtemperatur erreicht wird. Dabei ist der Flammpunkt irrelevant. Für einen Brandausbruch reicht die örtlich begrenzte Erhitzung der Flüssigkeit aus. In die Gefährdungsbeurteilung fließt außerdem die Mischbarkeit mit Wasser ein. Brände wassermischbarer Flüssigkeiten lassen sich leicht mit Wasser löschen. Die Bekämpfung eines Brandes von nichtwassermischbaren Varianten erfordert hingegen besondere Löschmethoden.
Brennbare Flüssigkeiten in der Oberflächenbearbeitung
In der mechanischen Oberflächenbearbeitung kommen brennbare Flüssigkeiten in Form von nichtwassermischbaren Kühl- und Umformschmierstoffen und Konzentraten für wassermischbare Kühlschmierstoffe zum Einsatz.
Kühlschmierstoffe
In der Regel werden für Kühlschmierstoffe Mineralöle mit Flammpunkten von über 100 °C eingesetzt. Damit gelten sie streng genommen nicht als brennbare Flüssigkeiten. Brennen können sie aber trotzdem, wenn sie auf die Zündtemperatur erhitzt werden. Außerdem führen schon geringfügige Beimengungen von leichtbrennbaren Stoffen, wie Lösemittel oder Wasserverdränger aus der Teilereinigung dazu, dass der Flammpunkt erheblich herabgesetzt wird. Ist die Kühlwirkung aufgrund von suboptimalen technischen Bedingungen oder Störungen im Betriebsablauf eingeschränkt, ist eine Brandentstehung möglich.
Umformschmierstoffe
Für Verfahren wie Walzen und Tiefziehen werden Umformschmierstoffe verwendet, die technologisch bedingt oft nur Flammpunkte von knapp über 55 °C haben. Die notwendige Fließfähigkeit wird durch eine geringere Sicherheit erkauft. Da bei diesen Fertigungsverfahren erhöhte Temperaturen auftreten, müssen unmittelbar gefährdete Bereiche als Explosionszonen eingestuft werden, in denen Zündquellen auszuschließen sind.
Brennbare Flüssigkeiten in der Oberflächenbehandlung
Bei der Oberflächenbehandlung werden für die Reinigung der Teile und die Beschichtung mit Lacken und Farben häufig brennbare Flüssigkeiten verwendet.
Industriereiniger
Vor der Oberflächenbehandlung müssen die Teile in der Regel sorgsam entfettet werden. Die meisten Fettlösemittel unter den Industriereinigern sind hoch- und leichtbrennbare Flüssigkeiten wie zum Beispiel Spiritus oder Waschbenzin. Die Dämpfe, die bei solchen Reinigungsarbeiten entstehen, bilden mit der Luft zündfähige Gemische. Können aus technologischen Gründen keine anderen Reinigungsverfahren angewendet werden, sind entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.
Farben und Lacke
Lösemittelhaltige Farben und Lacke trocknen schneller als wasserlösliche. Deshalb werden sie noch häufig verwendet. Durch Absauganlagen lässt sich verhindern, dass sich die Dämpfe in der Arbeitsstätte ansammeln und ausbreiten. Mit entsprechender Aufbereitungstechnik können die Lösemittel zurückgewonnen werden.
Explosionsschutz in der Industrie
In der Industrie werden unterschiedliche Ansätze für den Explosionsschutz verfolgt. Vorrang haben Maßnahmen, die die Bildung einer explosionsfähigen Atmosphäre vermeiden.
- Leichtentzündliche Stoffe sollen möglichst durch Substanzen mit einem hohen Flammpunkt ersetzt oder in dicht geschlossenen Behältern und Anlagen verarbeitet und gelagert werden. Dieses Vorgehen wird als primärer Explosionsschutz
- Unter der Bezeichnung sekundärer Explosionsschutz werden Maßnahmen zusammengefasst, die die Entzündung explosionsfähiger Gemische verhindern. Der sekundäre Explosionsschutz ist vor allem bei der Gestaltung elektrotechnischer Einrichtungen von Bedeutung.
- Lässt sich das Risiko einer Explosion nicht ausschließen, sind konstruktive Maßnahmen erforderlich, die Auswirkungen einschränken. Dazu gehören zum Beispiel Druckentlastungseinrichtungen und Explosionsunterdrückungssysteme. Diese Vorkehrungen werden als tertiärer Explosionsschutz
Fazit für die Oberflächenbearbeitung und -behandlung
Vor dem Einsatz der unterschiedlichen Stoffe in der oberflächenbearbeitenden Industrie ist zu prüfen, ob von diesen Gefahren ausgehen. Hinweise findet man auf der Verpackung bzw. auf dem Etikett, die gegebenenfalls mit entsprechenden Symbolen gekennzeichnet sind. Die in Europa einheitlich aufgebauten Sicherheitsdatenblätter der Hersteller enthalten ausführliche Informationen zu diesem Thema. Im Abschnitt 9 sind die physikalischen und chemischen Eigenschaften aufgelistet. Dort ist auch der Flammpunkt angegeben, sofern er für den Stoff relevant ist.