Cradle-to-Cradle-Konzept-Symbolbild
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Das Cradle-to-Cradle Konzept in der Chemie

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Der Ausdruck „Cradle-to-Cradle“ (kurz: C2C) bezeichnet einen neuen Ansatz für eine zukunftsfähige Kreislaufwirtschaft. Dahinter steckt die Idee, bereits bei der Entwicklung von Technologien und Erzeugnissen in Kreisläufen zu denken. Cradle-to-Cradle-Produkte sind so gestaltet, dass sämtliche Inhaltsstoffe und Materialien in den Kreislauf zurückkehren können, aus dem sie ursprünglich stammen. Wir werfen einen Blick auf die Fragen „Was ist Cradle-to-Cradle?“ und „Was bedeutet Cradle-to-Cradle für eine zukünftige Kreislaufwirtschaft in der Chemie?“.

Was ist Cradle-to-Cradle?

Das C2C-Prinzip ist keine ganz neue Erfindung. Das auf Ökoeffektivität basierende Wirtschaftskonzept wurde bereits gegen Ende der 1990er Jahre vom deutschen Chemiker Michael Braungart und dem US-amerikanischen Architekten William McDonough entwickelt. Ins Deutsche übersetzt bedeutet Cradle-to-Cradle „von der Wiege zur Wiege“. Damit bildet es einen Kontrapunkt zur bekannten Phrase „von der Wiege bis zur Bahre“, sprich „Cradle-to-Grave“.

Die Kreislaufwirtschaft folgt einem Konzept, das sich hinsichtlich seiner Ökoeffektivität deutlich von der klassischen linearen Wirtschaft unterscheidet. Im Gegensatz zu dieser berücksichtigt es nicht nur den Abschnitt von der Produktion bis hin zum Verbraucher, sondern reicht darüber hinaus. Nach dem C2C-Ansatz sind Herstellungsprozesse Kreisläufe, in denen nichts verloren geht. Stattdessen sollen sämtliche Materialien ohne Qualitätsverlust wiederverwendbar sein. Dadurch gibt es keine Abfälle, die entsorgt werden müssen.

Cradle to Cradle – Funktionsprinzip nach Braungart und McDonough
Von Felix Jörg Müller – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=121594742

Was bedeutet Cradle-to-Cradle?

Derzeit laufen Produktionsprozesse zumeist nach dem Take-make-waste-Prinzip. Unternehmen holen sich die Rohstoffe aus der Natur und erzeugen daraus Produkte, die nach Gebrauch auf der Mülldeponie landen. Meist enthalten die Abfälle nicht abbaubare Materialien und sogar Schadstoffe, die eine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen. Aktuelle Recycling-Modelle reichen Braungart und McDonough nicht aus, da die Rohstoffe durch die Wiederverwertung oft an Qualität verlieren und sich irgendwann doch noch im Müll wiederfinden.

Das von den beiden angedachte C2C-Design-Konzept empfiehlt eine viel radikalere, ganzheitliche Herangehensweise. Cradle-to-Cradle-Produkte sind so ausgelegt, dass alle Rohstoffe und Materialien in potenziell endlosen Kreisläufen zirkulieren, ohne jemals Abfallstoffe zu bilden. Derartige Zyklen haben sich in der Natur seit Jahrmillionen bewährt. Ein Baum beispielsweise ist nicht emissionsfrei. Jedoch ist der von ihm produzierte Sauerstoff nicht schädlich für andere Lebewesen, sondern eine wichtige Voraussetzung für ihre Existenz. Sein herabfallendes Laub ist ebenfalls kein Abfall. Es dient als Nährstoffquelle für Tiere und Pflanzen.

Dieses Prinzip greift das Cradle-to-Cradle-Design auf. C2C-Produkte sollen in geschlossenen Stoffkreisläufen funktionieren, sodass es keine Abfälle im Sinne von „nicht mehr Brauchbarem“ gibt, sondern nur noch nützliche Rohstoffe.

Logo von Cradle to Cradle Certified

Wie funktioniert die nachhaltige Kreislaufwirtschaft?

Nicht alles kann auf natürliche Weise verrotten. Deshalb gibt es nicht nur einen C2C-Kreislauf, sondern zwei:

  1. die Biosphäre (biologischer Kreislauf für Verbrauchsprodukte) und
  2. die Technosphäre (technischer Kreislauf für Gebrauchsprodukte)

Die Biosphäre besteht aus Verbrauchsgütern, die sich zu Produkten zusammensetzen lassen. Nach Ende ihrer Nutzungszeit sind ihre Bestandteile biologisch abbaubar. Aus ihnen werden Nährstoffe, die beispielsweise Pflanzen als Nahrung dienen. So helfen sie bei der Erschaffung neuer biologischer Stoffe, die wieder geerntet und zu neuen Produkten verarbeitet werden können. Dieser Kreislauf ist unbegrenzt und erzeugt keinen Abfall. Sämtliche zirkulierenden Stoffe können nach Gebrauchsende weiterhin nützlich sein.

Metalle, Kunststoffe und andere nicht verrottbare technische Rohstoffe werden in einer zweiten Kreislaufwirtschaft bewegt, der Technosphäre. Bestandteile von Gebrauchsprodukten können in diesem Kreislauf endlos zirkulieren, sofern sie sortenrein demontierbar beziehungsweise trennbar sind. Nur so sind ein Recycling und eine Wiederverwendung bei gleichbleibender Qualität gewährleistet. Somit wird bereits bei der Entwicklung und Herstellung eines Produktes bestimmt, ob es kreislauffähig ist oder nicht.

Cradle-to-Cradle Biologischer und Technischer Zyklus
Von Rex banditor – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=64082869

Im Einzelnen gestaltet sich der Cradle-to-Cradle-Kreislauf wie folgt:

  • Produkte werden ressourcenschonend aus Recycling-Materialien und mit erneuerbaren Energien erzeugt.
  • Verbrauchsgüter wie Reinigungsmittel dürfen keine Schadstoffe enthalten und müssen biologisch abbaubar sein.
  • Gebrauchsgüter wie elektronische Geräte und Verpackungen sollen in ihre Komponenten zerlegbar, verlustfrei wiederaufbereitbar und für neue Produktionsprozesse einsetzbar sein.

Das heißt: C2C-Produkte vergrößern nach ihrer Nutzung nicht die Müllberge, sondern bilden die Basis für etwas Neues – so, wie es die Natur vormacht.

Beispiele für Cradle-to-Cradle in Deutschland

Bis diese Kreislaufwirtschaft in Deutschland zum Produktionsstandard wird, dürfte noch etwas Zeit ins Land gehen. Es gibt jedoch Unternehmen, die schon jetzt zumindest einige ihrer Produkte nach C2C-Prinzipien herstellen. Dazu gehören auch die Chemischen Werke Kluthe GmbH und ihr Tochterunternehmen REMATEC, bei denen eine Kreislaufwirtschaft im Sinne des C2C-Gedanken bereits in folgenden Bereichen funktioniert:

Lösemittelrückgewinnung mit dem Resolve-T-Verfahren(R)

Das Resolve-T-Verfahren(R) verbindet die Destillation stark mit Feststoffen belasteter Lösemittel mit einer darauffolgenden Trocknung der verbleibenden Feststoffe. Hierdurch lassen sich organische Lösungsmittel vollständig zurückgewinnen, ohne dass Crack-Produkte entstehen. Auf diesem Wege wird eine Qualitätsminderung der gewonnenen Destillate durch Farb- oder Geruchsveränderungen verhindert. Entwickelt wurde die Technologie zur Aufbereitung von lösemittelhaltigen Schlämmen, die zum Beispiel beim Lackieren anfallen.

Resolve-T Verfahren®: Rückgewinnung organischer Lösemittel bei Verwertung der Destillationsrückstände

Aufbereitung von Wertstoffen aus Altfarben, Altlacken und Lackkoagulaten mit dem Isodry-Verfahren(R)

Das Isodry-Verfahren(R) dient der Aufbereitung von Altlacken, Altfarben und Lackkoagulaten, die sowohl Lösemittel als auch Wasser beinhalten. Der erste Verfahrensschritt umfasst die Konditionierung der Stoffgemische durch das Hinzufügen hydrophiler Zuschlagstoffe. Anschließend werden die flüchtigen Komponenten in Form von Wasser und Lösemitteln abdestilliert. Statt zur Entsorgung gelangen alle drei Fraktionen (Wasser, Lösungsmittel, Trockengut) zurück in den Wirtschaftskreislauf.

Isodry Verfahren® : Die Rückgewinnung von Wertstoffen aus Altlacken, Altfarben und Lackkoagulaten

Rückgewinnung von Rohstoffen aus Hydrospülern mit dem Hydrosolve-Verfahren(R)

Das Hydrosolve-Verfahren(R) wird zur Aufbereitung der beim Lackieren mit wasserbasierenden Systemen verwendeten Wasserlack-Spülflüssigkeiten eingesetzt. Zunächst werden die in den Hydrospülern enthaltenen Lackpartikel mithilfe von Spezialchemikalien von den flüssigen Bestandteilen getrennt. Danach werden sie im Isodry-Verfahren(R) weiterverarbeitet. Das wiedergewonnene Wasser-Lösungsmittel-Gemisch dient als Rohstoff für Produkte zur Oberflächenbehandlung.

Darüber hinaus ist es den Kluthe Werken gelungen, den Abfallstoff „Waste Oil“ als Rohstoffquelle für die Kühlschmierstoffe der Hakuform-S-Reihe zu nutzen, die „klassischen“ Kühlschmierstoffen durchaus ebenbürtig sind.

Über Julian Senn

Julian Senn studierte Biochemie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen sowie Nachhaltigkeitswissenschaft an der Leuphana Universität Lüneburg. Von 2020 bis 2022 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu) in Heidelberg im Bereich Ökobilanzierung und Carbon Footprinting von biobasierten Chemikalien, Materialien und nachwachsenden Rohstoffen. Seit 2022 ist er Sustainability & Communications Manager bei der Chemische Werke Kluthe GmbH.