Die Lebensmittelindustrie leistet einen entscheidenden Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsgütern. Dabei übernimmt sie eine hohe Verantwortung. Gleichzeitig ist sie auf ein großes Vertrauen bei den Verbrauchern der Lebensmittel angewiesen. Bei der Wahrnehmung der Verantwortung helfen zahlreiche gesetzliche und normative Regelungen, die unter anderem den Einsatz der Schmiermittel in der Lebensmittelindustrie betreffen. Lesen Sie hier, welche Anforderungen die verwendeten Schmierstoffe erfüllen müssen, um lebensmitteltauglich zu sein.
Grundlagen für den Einsatz von Schmierstoffen in der Lebensmittelindustrie
Verordnung (EG) Nr. 1935/2004
Die rechtliche Grundlage für Materialien und Gegenstände, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen oder kommen können, ist in der Europäischen Union die Verordnung (EG) Nr. 1935/2004. Die dort festgeschriebenen Regelungen betreffen alle Stoffe, die im Zusammenhang mit der Herstellung und Verpackung von Lebensmitteln relevant sind. Deshalb gelten sie auch für die Schmiermittel in der Lebensmittelindustrie. Der Artikel 3 der Verordnung umfasst die allgemeinen Anforderungen. Er schreibt vor, dass die entsprechenden Stoffe nach „Guter Herstellungspraxis produziert“ werden müssen. Der Begriff “Gute Herstellungspraxis” geht auf konkret definierte Anforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem zurück, die die Food and Drug Administration (FDA) in den USA für die Produktion von Arzneimitteln vorgeschrieben hat. Darauf stützten sich auch die in der EU geltenden Regelungen. Diese sind im EG-GMP-Leitfaden, der vom Bundesministerium für Gesundheit veröffentlicht wurde, ausführlich beschrieben.
Gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgeschlossen
Für Bestandteile, die auf Lebensmittel übergehen können, gilt, dass eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit, eine unvertretbare Veränderung der Zusammensetzung der Lebensmittel und die Beeinträchtigung der organoleptischen Eigenschaften ausgeschlossen werden müssen. Die organoleptischen Eigenschaften sind die Merkmale, die durch die menschlichen Sinne wahrgenommen werden können. Dazu gehören hauptsächlich Geschmack, Geruch, Farbe und Konsistenz. Um sicherzustellen, dass alle Anforderungen erfüllt werden, müssen die betreffenden Materialien und Gegenstände nach dem in der Verordnung vorgeschriebenen Verfahren zugelassen werden.
Regelungen der Food and Drug Administration
Die europäischen Regelungen für Schmiermittel in der Lebensmittelindustrie orientieren sich weitgehend an den Regularien der US-amerikanischen Behörde für die Sicherheit von Lebensmitteln und Arzneimitteln, der Food and Drug Administration. Im “Code of Federal Regulations”, dem Bundesgesetzbuch der USA, sind diese Vorgaben im Titel 21 zu finden. Das darin enthaltene Unterkapitel B befasst sich mit Nahrungsgütern für Menschen. Im § 178.3570 finden Sie eine Auflistung der zugelassenen Schmierstoffe, die gelegentlich mit Lebensmitteln in Berührung kommen dürfen, und die jeweils zulässigen Grenzwerte.
National Sanitation Foundation (NSF)
Um die Prüfung und Zulassung von gesundheitsrelevanten Produkten und Systemen kümmert sich in den USA die National Sanitation Foundation (NSF). Die Schmierstoffe für die Lebensmittelindustrie teilt sie in drei Kategorien ein:
- H1 gelegentlicher Kontakt von Schmierstoff und Lebensmittel ist möglich (Einrichtungen, die mittelbar an der Produktion beteiligt sind)
- H2 Kontakt ist ausgeschlossen (Einrichtungen, die von der Produktion räumlich getrennt sind)
- H3 Kontakt ist technologisch bedingt (Werkzeuge, Behältnisse)
H3-Produkte unterliegen den gleichen Anforderungen wie Zusatzstoffe für Lebensmittel. H2-Produkte sind normale Industrieschmierstoffe. Die Zulassung der H1-Produkte erfolgt über ein ausführliches Prüf- und Zulassungsverfahren, in dem nachgewiesen wird, dass die Schmierstoffe lebensmittelecht bzw. lebensmitteltauglich sind. Dieses Zulassungsverfahren ist auch Gegenstand der Norm DIN EN ISO 21469:2006-05.
DIN EN ISO 21469:2006-05
Die DIN EN ISO 21469:2006-05 “Sicherheit von Maschinen – Schmierstoffe mit nicht vorhersehbarem Produktkontakt – Hygieneanforderungen” beschreibt die Anforderungen für Schmiermittel in der Lebensmittelindustrie und in ähnlich sensiblen Bereichen, wie beispielsweise die Pharmaindustrie, die gelegentlich mit Lebensmitteln in Berührung kommen können. Dabei handelt es sich um Schmiermittel für Bauteile in Anlagen der Lebensmittelindustrie wie offene Getriebe, Fördersysteme, Wälz- und Gleitlager, Ketten oder Gleitbahnen. Ein weiterer Einsatzbereich für diese Stoffe ist die Nutzung als Kühlschmiermittel oder Umformschmierstoff bei der Fertigung von Verpackungen für Nahrungsmittel und Getränke, unter anderem bei der Dosenfertigung. In der Norm finden Sie die Auflistung von charakteristischen Gefährdungen, konkrete Hygieneanforderungen und Hinweise darüber, wie die Übereinstimmung des Produktes mit den Anforderungen nachzuweisen ist. In den Anhängen zur Norm sind anerkannte Stoffe für einen hygienegerechten Produktkontakt und die zutreffenden Registrierungskriterien zusammengestellt. Die weltweit gültige Norm betrachtet den kompletten Werdegang Schmierstoffe von der Herstellung bis zur Verpackung und Lagerung. Auf dieser Grundlage erfolgt anhand der entsprechenden Kriterien die Zertifizierung des Produktes. Voraussetzung für die Produktzertifizierung ist, dass das Qualitätsmanagementsystem des Herstellers nach ISO 9001 zertifiziert ist und die Produktion nach den Grundsätzen für die Gute Herstellungspraxis erfolgt.
Anforderungen an die Produkte, ihre Herstellung und ihre Handhabung
Aufgabe der Schmieröle und -fette für die Lebensmittelindustrie ist es, Reibung und Verschleiß zu minimieren. Gleichzeitig müssen sie die hohen Hygieneanforderungen erfüllen. Dazu gehören vor allem:
- Lebensmittelverträglichkeit (Zusammensetzung und Beschaffenheit der Nahrungsgüter dürfen nicht beeinträchtigt werden)
- physiologische Sicherheit (Substanzen, die die menschliche Gesundheit beeinträchtigen, dürfen nicht in die Nahrungsgüter übergehen)
- Geschmacks- und Geruchsneutralität
- Beständigkeit gegenüber Desinfektions- und Reinigungsmitteln
Neben den Hygieneanforderungen ergeben sich aus den besonderen Bedingungen bei der Herstellung von Lebensmitteln spezielle Anforderungen an die Schmiermittel. Sie sind teils sehr hohen Betriebstemperaturen (Großbäckereien), teils sehr niedrigen Einsatztemperaturen (Fleischverarbeitung, Tiefkühlprodukte) ausgesetzt. Außerdem sind sie häufig mit einer hohen Feuchtigkeit und mit korrosiven Bestandteilen der Nahrungsgüter wie Säuren und Salzen konfrontiert. Alle Einflussfaktoren werden bei der Entwicklung der Schmiermittel für die Lebensmittelindustrie berücksichtigt. Wichtig ist vor allem, dass die Formulierungen bei der Herstellung genau eingehalten werden und sich bei der späteren Handhabung keine Veränderungen ergeben. Deshalb bestehen beim Einsatz von Schmierstoffen in Anlagen der Lebensmitteltechnik neben den Anforderungen an die Schmiermittel selbst auch Anforderungen an deren Herstellung und Handhabung. Die konsequente Einhaltung der Grundsätze für die „Gute Herstellungspraxis“ stellt sicher, dass…
- …die vorgesehenen Rezepturen bei der Produktion sorgfältig eingehalten werden
- …die Angaben auf dem Etikett mit den tatsächlich vorhandenen Inhaltsstoffen übereinstimmen
- …festgelegte Transport- und Lagerbedingungen, die dauerhafte Produktqualität gewährleisten
- …Verfallsdaten gewissenhaft berücksichtigt werden
Aufgrund der vielfältigen Anforderungen und der strengen Überwachung sind die Schmiermittel, die lebensmittelecht sind, den konventionellen Industrieschmierstoffen qualitativ oft deutlich überlegen. Deshalb wächst das Interesse, die H1-Produkte auch in anderen Bereichen einzusetzen.