Innovative Treibstoffe, neue Medikamente, Hightech-Textilien – die moderne Chemie erzeugt eine Vielzahl von Produkten, die niemals auf natürliche Weise entstehen würden. Ein aktuelles Beispiel sind die sogenannten E-Fuels, die aus Wasserstoff und CO₂ künstlich hergestellt werden. Hinter dem Ganzen steht die chemische Synthese, die es ermöglicht, einfache Verbindungen gezielt zu neuen Stoffen mit speziellen Eigenschaften zusammenzusetzen. Damit sind entsprechende Reaktionsverfahren nicht nur ein zentrales Werkzeug der Chemie, sondern eine essenzielle Schlüsseltechnologie für die Zukunft.
Was steckt hinter dem Wort ‘synthetisch’?
Das Adjektiv ‘synthetisch’ beschreibt etwas, das nicht natürlich entstanden ist, sondern künstlich erzeugt wurde. Das Wort entstammt dem griechischen ‘synthesis’, das ‘Zusammensetzung’ bedeutet. Syntheseprodukte zeichnen sich durch folgende Merkmale aus:
- Aus chemischen Rohstoffen oder künstlichen Bausteinen hergestellt
- Häufig mit kontrollierten Spezifika und in gleichbleibender Qualität
- In aller Regel industriell oder laborseitig produziert
- Nachahmung oder Verknüpfung natürlicher Eigenschaften

Typische Beispiele für Produkte der Synthesechemie sind:
- Synthetische Stoffe wie Nylon oder Polyester-Stoff
- E-Fuels wie E-Diesel, E-Benzin, E-Kerosin oder E-Methanol
- Pharmazeutika wie Schmerzmittel (z. B. Ibuprofen, Paracetamol) und Antibiotika (z. B. Amoxicillin)
- Agrochemikalien wie Herbizide (z. B. Glyphosat) und Insektizide (z. B. Imidacloprid)
- Farben (z. B. Azo- und Anthrachinon-Farbstoffe) und Pigmente (z. B. Titandioxid)
- Lacke und Harze (z. B. Epoxidharze, Alkydharze)
- Lösungsmittel (z. B. Aceton, Toluol, Methanol)
- Feinchemikalien für die Halbleiterfertigung
- Kühlschmierstoffe

Chemische Synthese als Basis für Syntheseprodukte
Die Bezeichnung chemische Synthese steht für den gezielten Aufbau komplexer Moleküle aus zwei oder mehr einfacheren, meist reaktiven Ausgangsstoffen. Die chemische Reaktion wird dabei so gesteuert, dass die gewünschten Bindungen mit den angestrebten Charakteristika entstehen. Grob unterschieden werden vier Arten von Syntheseverfahren.
Organische Synthese
Die organische Synthese befasst sich mit dem Aufbau komplexer Kohlenstoffverbindungen. Sie bildet die Grundlage für die Herstellung von Kunststoffen, Farbstoffen, Pharmazeutika, Kunstfasern (z. B. für Polyester-Stoff) und vielen weiteren funktionellen Produkten. Durch gezielte Reaktionsverfahren lassen sich Verbindungen mit speziellen Eigenschaften synthetisch erzeugen und auf diese Weise neue Werk- und Wirkstoffe entwickeln.
Bezüglich des Ablaufs werden die lineare Synthese und die konvergente Synthese unterschieden. Bei Ersterer folgen die einzelnen Reaktionsschritte nacheinander, wobei das jeweilige Produkt Ausgangsstoff des nächsten Schrittes ist. Die Vorteile liegen in der einfachen Planung und Durchführung, die Nachteile in den mit jeder Stufe abnehmenden Ausbeuten. Bei der konvergenten Synthese werden die Teilstränge unabhängig aufgebaut. Die Zusammenführung erfolgt erst im späteren Verlauf. Die Herausforderungen bei diesen Syntheseverfahren bestehen in der komplexen Kopplungsstrategie, die Vorzüge in der höheren Gesamtausbeute und der besseren Skalierbarkeit.

Im Mittelpunkt jeder organischen Synthese stehen fundamentale Reaktionstypen, die sich hinsichtlich Mechanismus, Reagenzien und Einsatzgebiet unterscheiden. Die häufigsten Reaktionstypen sind:
- Substitutionsreaktionen (Austausch einer Abgangsgruppe durch ein Nukleophil oder Elektrophil)
- Additionsreaktionen (Hinzufügen von Atomen oder Atomgruppen zu einem Molekül, wobei eine oder mehrere Mehrfachbindungen aufgebrochen werden)
- Eliminationsreaktionen (Abspaltung kleiner Moleküle zur Erzeugung von Doppel- oder Dreifachbindungen)
- Umlagerungsreaktionen (Verschieben von Atomen oder Atomgruppen im Molekülgerüst)
- Radikalreaktionen (Auslösen von Kettenreaktionen durch Wärme, Licht oder Peroxide)
- Redox-Reaktionen (Anpassen des Oxidationszustands von Kohlenstoff durch Oxidation oder Reduktion)
- Metallkatalysierte Kupplungsreaktionen (Einsatz von Übergangsmetallkatalysatoren zur Erzeugung von C-C-Bindungen zwischen organischen Molekülen)

Anorganische Synthese
Die anorganische Synthese beschäftigt sich mit der Herstellung und Modifikation von Verbindungen ohne Kohlenwasserstoff-Gerüste. Sie gehört zu den ältesten Disziplinen der Chemie und ist Grundlage für unterschiedlichste moderne Techniken von Katalysatoren über Keramiken bis hin zu Halbleitern. In erster Linie konzentriert sie sich auf Übergangsmetallkomplexe, Metalloxide und Salze. Eine herausragende Rolle für die chemische Reaktion spielen Faktoren wie Kristallstruktur, Phasenbildung und elektronische Eigenschaften.
Zu den wichtigsten Synthesemethoden in diesem Bereich zählen:
- Festkörpersynthese (Pulverförmige gemischte Reagenzien werden bei Temperaturen von über 500 °C zur Reaktion gebracht)
- Hydrothermale bzw. solvothermale Synthese (Die Umsetzung erfolgt in Wasser oder überkritischen Medien bei moderaten Temperaturen und erhöhtem Druck in einem geschlossenen Reaktionsgefäß)
- Chemische Gasphasenabscheidung (Gasförmige Vorstufen bilden durch chemische Reaktionen dünne Feststoffschichten auf Oberflächen)
- Mechanochemische Synthese (Reagenzien werden durch Rühren oder Mahlen mechanisch aktiviert)
Ist die chemische Synthese vollendet, bedarf es eines detaillierten Blicks, um die Struktur und die Eigenschaften der synthetisch erzeugten Produkte zu verstehen. Zur Anwendung kommen Verfahren wie die Röntgenbeugung, die Elektronenmikroskopie, spektroskopische Methoden und thermische Analysen.
Biochemische (enzymatische) Synthese
Bei der enzymatischen Synthese geht es um die gezielte Bildung komplexer Biomoleküle durch Protein-Katalyse. Enzyme verringern die Aktivierungsenergie und beschleunigen die Reaktionen um mehrere Größenordnungen. Diese Herstellungsverfahren finden unter milden Bedingungen statt und gewährleisten eine hohe Substratspezifität und Selektivität. Eine rein chemische Synthese wäre hierzu kaum oder nur mit hohem Energieaufwand in der Lage.
Typische Biosyntheseverfahren sind:
- Fettsäuresynthese (wiederholtes Decarboxylieren und Kondensieren von Acetyl- und Malonyl-Einheiten)
- Polyketidsynthese (Komplexe Naturstoffe werden durch modular aufgebaute Enzymkomplexe synthetisch hergestellt)
- Nicht-ribosomale Peptidsynthese (Bildung diverser Antibiotika mittels Assembly-Line-Mechanismus)
- Shikimisäureweg (biochemischer Stoffwechselweg zur Biosynthese von aromatischen Aminosäuren und sekundären Pflanzenstoffen)
Elektrochemische Synthese
Hierbei wird elektrischer Strom zur gezielten Steuerung von Redoxreaktionen an Elektroden genutzt, um komplexe Moleküle synthetisch zu erzeugen. Oxidation und Reduktion werden in einer elektrochemischen Zelle getrennt durchgeführt. Das erlaubt direkte Elektronentransfers zwischen Elektroden und Reaktanten und eröffnet nachhaltige Synthesewege ohne Zusatzreagenzien.
Beispiele für diese Art der Synthesechemie sind:
- Kolbe-Elektrolyse (Kopplung organischer Säuren zu größeren Molekülen durch Decarboxylierung)
- Kathodische Hydrodimerisierung (Herstellungsverfahren, das beispielsweise zur industriellen Erzeugung von Adipodinitril aus Acrylonitril genutzt wird)
- Shono-Oxidation (anodische Bildung von N-Acyliminium-Ionen aus Carbonsäureestern mit anschließender nukleophiler Addition)
- Elektrofluorierung (Ersetzen von Wasserstoffatomen in organischen Molekülen durch Fluoratome in flüssigem Schwefeldioxid oder Fluorwasserstoff)

Chemische Herstellung synthetischer Stoffe: Alle Pluspunkte im Blick
Synthetisch produzierte Stoffe bieten vielfältige Vorteile. Zum einen können sie sehr rein sein, da die Zusammensetzung exakt steuerbar ist und Verunreinigungen sich gezielt ausschließen lassen. Außerdem bedeuten synthetische Stoffe eine größere Unabhängigkeit von natürlichen Ressourcen wie saisonalen oder nur geografisch begrenzt vorhandenen Rohstoffen. Oft lässt sich die chemische Herstellung mittels Synthesetechnik kostengünstiger realisieren als die Gewinnung aus natürlichen Quellen. Das gilt vor allem für seltene oder schwer zugängliche Grundstoffe.
Indem Stoffe künstlich hergestellt werden, die in der Natur nicht vorkommen, eröffnen sich neue Anwendungen in der Materialwissenschaft, der Medizin, der Elektronik und vielen anderen Bereichen. Synthetisch erzeugte Materialien können beispielsweise besonders leicht, leitfähig, hitzebeständig oder biologisch abbaubar sein. Ein einmal entwickelter Syntheseweg lässt sich relativ problemlos auf industrielle Maßstäbe übertragen. Damit können große Mengen eines Produktes effizient synthetisch hergestellt werden. Synthesetechnik, die Katalyse oder enzymatische Verfahren nutzt, punktet in aller Regel auch mit Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit, da sie Energie einspart und weniger Abfall erzeugt.