« Kreisläufe bestimmen die Zukunft »
Chemie ist jene Naturwissenschaft, die sich mit der Umwandlung von Stoffen beschäftigt. Sie ist weder gut noch böse, weder Freund noch Feind von irgendetwas oder irgendjemandem. Die Allgemeinheit verwendet den Begriff oft gleichbedeutend mit chemischer Industrie oder einfach nur mit Chemikalien. Streng genommen ist das die praktische Anwendung chemischer Erkenntnisse bzw. deren Ergebnis. Dabei treten zwangsläufig Wechselwirkungen zwischen Umwelt und Chemie auf. Lesen Sie hier, wie das ohne Beeinträchtigung der Umwelt nachhaltig möglich ist und wie chemische Prozesse dazu beitragen können, Umweltschäden zu beseitigen.
Chemische Prozesse als Triebkraft menschlicher Entwicklung
Die Menschen nutzen von Anfang an die Umwandlung von Stoffen aus ihrer Umwelt. Die Chemie hat sich daraus erst relativ spät als Naturwissenschaft entwickelt. Der erste chemische Prozess, den Menschen gezielt herbeigeführt haben, ist vermutlich die Verbrennung. Die Wärme, die freigesetzt wird, während trockenes Gras oder Holz, später auch Kohlen, in Rauch und Flammen aufgehen und sich dabei mit dem Sauerstoff aus der Luft zu Kohlendioxid, Wasserdampf, Ruß und Asche umwandeln, hat die technische Entwicklung ermöglicht.
Chemische Prozesse liegen auch der Umwandlung von Erzen in Metalle, der Oberflächentechnik, der Herstellung von Leder aus Tierhäuten, der Gewinnung von Farben und vielen anderen Tätigkeiten zugrunde. Dabei sind die Menschen meistens unbewusst hohe Risiken eingegangen. Viele verwendete Stoffe waren gesundheitsschädlich, Feuer ist außer Kontrolle geraten und hat Hab und Gut vernichtet, die Umwelt wurde durch Abfälle belastet. Beispielsweise waren häufig giftige Blei- oder Quecksilberverbindungen Bestandteil von Farben.
Die Entwicklung der Naturwissenschaften hat dazu beigetragen, die genauen Abläufe und Wirkungen chemischer Prozesse zu erklären und die Risiken zu minimieren. Daraus sind die Umweltchemie und schließlich die grüne Chemie hervorgegangen. Erstere offenbart, wie sich chemische Prozesse auf die Umwelt auswirken. Letztere zeigt, wie sich Umweltschäden vermeiden oder beseitigen lassen und nachhaltig gewirtschaftet werden kann.
Green Chemistry zur Vermeidung und Beseitigung von Umweltschäden
Die Erfordernisse der Umwelt mit der Chemie in Einklang zu bringen gelingt, wenn nachhaltige Chemie betrieben wird. Nachhaltig bedeutet, dass die Umwelt für spätere Generationen lebenswert bleibt. Für diese Art der Stoffumwandlung bürgert sich mehr und mehr der Begriff “Green Chemistry” ein. Sie zielt vor allem darauf ab,
- den Energie- und Rohstoffverbrauch zu reduzieren,
- den Eintrag schädlicher Stoffe in die Umwelt zu vermeiden,
- Abfälle als Reststoffe wiederzuverwenden,
- zuverlässige Sicherheitstechnik zur Vermeidung von Havarien zu nutzen,
- gefährliche Stoffe durch ungefährliche zu ersetzen.
Zu diesem Zweck müssen neue chemische Verfahren und Stoffe entwickelt werden. Die Green Chemistry ist also gefordert, zunehmend aktiv zu werden. Großes Potential besteht dabei in der Umwandlung von Abfällen in Rohstoffe. Zuverlässige Methoden, die dies ermöglichen, können dann auch genutzt werden, um bereits freigesetzte Schadstoffe aus der Umwelt zurückzugewinnen und für neue Aufgaben zu verwenden.
Umwelt ist für Chemie Vorbild und Wegweiser
In der Natur laufen ständig chemische Prozesse ab. Der gesamte Stoffwechsel von Lebewesen beruht auf der Umwandlung von Nahrung in körpereigene Stoffe und Energie. Das funktioniert nachhaltig, weil alle von einem Lebewesen erzeugten Substanzen irgendwann von anderen als Wertstoffe genutzt werden. An diesem Kreislauf orientiert sich die Green Chemistry. Ein weiterer Aspekt ist, dass Lebewesen mit geringem Energieaufwand erstaunliche Stoffe produzieren können. Pflanzen spalten unter Umgebungsbedingungen Wasser in seine chemischen Elemente auf und verwandeln sie mithilfe von Kohlendioxid in Zucker. Dafür brauchen sie nur etwas Licht.
Will der Mensch das nachvollziehen, verbraucht er wesentlich mehr Energie sowie viele Roh- und Hilfsstoffe. Außerdem erzeugt er Abfälle. Je besser die biochemischen Vorgänge entschlüsselt werden, umso mehr lassen sich daraus nachhaltige Verfahren für die Stoffumwandlung ableiten. Dann können die Böden wieder ausschließlich der Erzeugung von Nahrungsmitteln und der ungehinderten Ausbreitung von Lebensräumen dienen, statt als Produzenten für “nachwachsende Rohstoffe” (Palmöl!) herzuhalten.
Nachhaltige Chemie in der Oberflächentechnik
Zu den Hauptaufgaben der Oberflächentechnik gehört die Verlängerung der Lebensdauer von Maschinen, Anlagen und Geräten durch den Schutz vor Korrosion und Verschleiß. Damit trägt sie maßgeblich zur Senkung des Rohstoffverbrauchs und zu nachhaltigem Wirtschaften bei.
Um diesen Nutzen voll zur Geltung zu bringen, muss sie selbst nachhaltig wirtschaften. Das gelingt unter anderem durch den Ersatz von organischen Lösemitteln durch wasserbasierte Prozesschemikalien, die Prozessführung bei niedrigen Temperaturen, den Austausch von Giftstoffen durch ungefährliche Substanzen und den Einsatz von Stoffen, die sich aufbereiten und wiederverwenden lassen. Damit trägt die Oberflächentechnik auch in eigener Sache zum Schutz der Umwelt bei. Die Chemie hat auf diesem Weg schon viel geleistet.
Beispielsweise hat sie verbrauchsarme Reinigungsmittel, Chemikalien für die Niedrigtemperatur-Zinkphosphatierung und wässrige Lacksysteme sowie Verfahren für die Rückgewinnung von Wertstoffen entwickelt. Trotzdem bleibt noch viel zu tun, bis die Oberflächentechnik energieeffizient und abfallfrei in die Kreislaufwirtschaft integriert ist. Diese Aufgabe lässt sich nur mithilfe der Chemie bewältigen.