Die Kaltumformung ist ein Verfahren der Metallbearbeitung, bei dem der Werkstoff durch große Druck- oder Zugkräfte gezwungen wird, eine bestimmte Gestalt anzunehmen. Das Material wird vor der Verarbeitung nicht oder nur wenig erwärmt. Darin unterscheidet sich die Kalt- von der Warmumformung. Die Temperaturgrenze, die beide Gebiete voneinander trennt, ist die Rekristallisationstemperatur.
Ausbildung des Werkstoffgefüges bei der Abkühlung der Schmelze
Die Verformbarkeit der Metalle lässt sich auf ihre innere Struktur zurückführen. Am Anfang der Metallverarbeitung liegen die Werkstoffe in flüssiger Form als Schmelze vor. Beim Abkühlen lagern sich zuerst einzelne Atome aneinander an und bilden Kristalle. Ein Kristall ist durch die regelmäßige geometrische Anordnung der Atome gekennzeichnet. Durch die Anlagerung weiterer Atome kommt es zum Kristallwachstum. Das Wachstum schreitet solange voran, bis die Kristalle aneinanderstoßen.
Auf diese Weise bildet sich das Werkstoffgefüge aus. Unter dem Mikroskop kann man das Gefüge sehen. Dazu werden Materialproben an einer Fläche glattgeschliffen, poliert und geätzt. Die räumliche Orientierung der Kristalle ist rein zufällig ausgeprägt. Sie erscheinen im Schliffbild als Körner, die das Licht unterschiedlich reflektieren und von den Korngrenzen umschlossen sind.
Veränderung des Werkstoffgefüges während der Kaltumformung
Bei der Kaltumformung werden die Kristalle zusammengedrückt oder in die Länge gezogen. Um die neue Form beizubehalten, müssen die angreifenden Kräfte die Anziehungskräfte zwischen den Atomen im Kristallgitter überwinden. Dabei bilden sich in der Kristallstruktur Versetzungen. Die einzelnen Gitterebenen verschieben sich gegeneinander. Diese Versetzungen bewirken innere Spannungen und die Kaltverfestigung des Werkstoffs.
Steigende Temperaturen rufen verstärkte Wärmebewegungen der Teilchen eines Stoffes hervor. Ab einer bestimmten Grenze können diese Wärmebewegungen die inneren Spannungen ausgleichen. Die Atome ordnen sich zu Kristallen, die wieder den normalen Aufbau haben. Um die Versetzungen herum bauen sich die alten Strukturen wieder auf. Die Temperatur, bei der diese Vorgänge einsetzen, ist die Rekristallisationstemperatur.
Anhaltspunkte für die erforderlichen Kräfte geben die Spannungs-Dehnungs-Diagramme der einzelnen Werkstoffe. Im Zugversuch wird eine genormte Materialprobe mit wachsender Kraft beansprucht. Zu Beginn dehnt sich die Probe proportional zur aufgebrachten Spannung. Oberhalb einer werkstoffabhängigen Größe, der Streckgrenze, beginnt sich die Probe einzuschnüren. Steigt die Spannung weiter, kommt es zum Bruch. Der Bereich zwischen der Streckgrenze und der Bruchdehnung wird für die Kaltverformung ausgenutzt.
Für die Kaltumformung geeignete Werkstoffe
Bei Werkstoffen für die Kaltverformung sollten der Bereich zwischen beginnender bleibender Verformung und Bruchdehnung möglichst groß und die aufzubringenden Kräfte möglichst klein sein. Das ist bei vielen Aluminiumlegierungen, Kupfer und bestimmten Stahlsorten der Fall.
Stahl ist eine Legierung aus Eisen und Kohlenstoff. Der Kohlenstoffgehalt liegt bei maximal 2 %. Um die Eigenschaften gezielt zu beeinflussen, werden der Stahlschmelze weitere Metalle untergemischt. Von der genauen Zusammensetzung hängt ab, ob sich der Werkstoff kaltverformen lässt oder ob ein Umformverfahren mit erhöhter Temperatur angewendet werden muss. Laut dem 2013 vom Industrieverband Massivumformung e. V. herausgegebenen Fachbuch “Massivumformung kurz und bündig” sollten für die Kaltumformung der Kohlenstoffgehalt unter 0,5% und der Gehalt an weiteren Legierungselementen unter 5% liegen.
Verfahren der Kaltumformung
Kaltverformen wird in Massivkaltumformung und Blechumformung unterteilt. Die Blechumformung erfolgt zum Beispiel durch Tiefziehen und Biegen. Dabei wird die Materialdicke weitgehend beibehalten. Bei der Massivkaltumformung werden deutliche Querschnittsänderungen hervorgerufen. Beispiele sind das Walzen und das Fließpressen.
Beim Walzen durchläuft das Metall den Spalt zwischen sich drehenden Werkzeugen. Form und Anordnung der Werkzeuge bestimmen die geometrische Gestalt des Werkstücks. Auf diese Weise entstehen Profile, Ringe oder Gewinde. Die mit der Umformung einhergehende Kaltverfestigung der oberflächennahen Werkstoffbereiche ist häufig ein willkommener Effekt. Sind allerdings große Querschnittsänderungen erforderlich muss die Umformung in mehreren Schritten erfolgen. Dabei stört die zunehmende Festigkeit. Eine zielgerichtete Wärmebehandlung, das Rekristallisationsglühen zwischen den Arbeitsschritten, kann die Festigkeit wieder verringern.
Beim Kaltfließpressen wird das Metall von einem Stempel in eine Matrize gedrückt und nimmt deren Form an. Dieses Verfahren bietet sich bei der Herstellung großer Stückzahlen von Teilen mit einer rotationssymmetrischen Kontur an. Sind die einzelnen Teile sehr voluminös, können sie vor der Umformung weichgeglüht werden. Dadurch reduzieren sich die aufzubringenden Kräfte.
Betriebsstoffe für das Kaltverformen
Bei der Kaltumformung entsteht durch Reibung Wärme, die zur Oxidation der Werkstücke und zum Kaltverschweißen von Werkzeug und Werkstück führen kann. Die Reibung wird durch eine Beschichtung reduziert, die vor dem Umformen auf die Werkstoffoberfläche aufgebracht wird. Die Schichten bestehen aus Zinkphosphat, Umformölen, Wachsen, Graphit oder speziellen Seifen und erleichtern die Gleitbewegung bei der Massivkaltumformung.
Die Umformschmierstoffe müssen sowohl an die eingesetzten Materialien als auch an die Verfahren angepasst sein. Kluthe bietet eine große Bandbreite von Umformschmierstoffen an, die zum Beispiel auf das Kaltstauchen von Befestigungselementen, das Kaltziehen von Draht oder das Biegen von Blechen spezialisiert sind. Im Portfolio befinden sich außerdem spezielle Umformschmierstoffe für die Kaltmassivumformung.
Um bestimmte Endabmessungen zu erreichen, sind häufig mehrfache Umformprozesse erforderlich, die sich mit Rekristallisationsglühen zur Reduzierung der Festigkeit abwechseln. Dann wird die Beschichtung meistens vor der Wärmebehandlung entfernt und anschließend erneut aufgebracht. Hierbei lohnt sich in vielen Fällen der Einsatz von Hochleistungsschmierstoffen als Ersatz für Zinkphosphatschichten.
Bei der Entwicklung und Auswahl von Umformschmierstoffen sind die Möglichkeiten zur anschließenden Abreinigung der Teile und die Umweltverträglichkeit der Inhaltsstoffe von wachsender Bedeutung. Oft können Produkte verwendet werden, die frei von Chlor-, Schwefel-, Bor- und Schwermetallverbindungen sind. Ebenso sind Umformschmierstoffe ohne sekundäre Amine und Formaldehydabspalter auf dem Markt verfügbar.
Vorteile der Kaltumformung
Wesentliche Vorteile der Umformprozesse gegenüber spanender Metallbearbeitung liegen in der besseren Ausnutzung des Materials und dem nicht unterbrochenen Faserverlauf. Bei großen Stückzahlen wirkt sich die kürzere Bearbeitungszeit kostensenkend aus.
Kaltverformen ermöglicht die Herstellung von Teilen mit sehr komplexen Geometrien und hohen Festigkeiten. Das wird in der Automobilindustrie, im Bau von Energieanlagen und im Armaturenbau erfolgreich genutzt. Ein weiteres Anwendungsfeld ist der Apparate- und Behälterbau.
Warum Kaltverformen?
Im Vergleich zur Warmumformung lassen sich beim Kaltverformen eine bessere Oberflächen-Beschaffenheit und höhere Maß- und Formgenauigkeiten realisieren. Außerdem entfällt der energetische Aufwand zum Erhitzen der Teile. Dafür muss allerdings mehr mechanische Kraft aufgebracht werden.
Die Kaltverfestigung im umgeformten Werkstoffbereich erspart in vielen Fällen das Härten der fertigen Teile. Durch Kaltumformverfahren hergestellte Wellen und Gewindespindeln sind belastbarer als spanend gefertigte Teile mit dem gleichen Querschnitt.